Unvereinbar mit der Welt

HOMOSEXUALITÄTEN Das Zeughauskino bereist begleitend zur Ausstellung die queere Filmlandschaft Deutschlands

Franz B „Fox“ Bieberkopf (Rainer Werner Fassbinder) mit seiner alkoholkranken Schwester Hedwig (Christiane Maybach) Foto: Basisfilm

von Carolin Weidner

Über seinen Film „1 Berlin–Harlem“ sagt Lothar Lambert: „1 Berlin–Harlem ist mir der liebste von meinen Filmen. Nicht zuletzt deshalb, weil er wegen seiner radikalen Schamlosigkeit so oft angegriffen worden ist.“ Angriffen war dieser Film aus dem Jahre 1974 damals wahrlich ausgesetzt. Genauso aber hat er auch für Jubel gesorgt. Das New Yorker Museum of Modern Art hat ihn in seiner Sammlung stehen, während er selbst im Rahmen einer Lambert-Retrospektive (1982 in Toronto) aus Zensurgründen nicht gezeigt wurde. Vielleicht empfanden es die Kanadier ähnlich wie seinerzeit die Berliner Morgenpost, die 1975 kritisierte: „Alles ist sehr realistisch gesehen. Nur die Details, mit denen wir beim Thema Erotik mit diesem Film konfrontiert werden, sind manchmal bis zum Ekel abstoßend.“

Der Film ist glücklicherweise Teil des Filmprogramms im Zeughauskino, das die Ausstellung „Homosexualität_en“ im Deutschen Historischen Museum – DHM und Schwulen Museum Berlin flankiert. Eine beachtenswerten Reihe, die sich über den ganzen Sommer erstreckt und die queere Filmlandschaft Deutschlands bereist.

Mit einem Budget von nur 50.000 DM (Fördergeldern) entstanden, erzählt „1 Berlin–Harlem“ die Odyssee des Ex-GI John, der auf einen Neuanfang in Berlin hofft. Doch allen, denen John hier begegnet, scheinen in der Hauptsache mit ­seiner Hautfarbe befasst. Einerseits möchte ihn kein Vermieter in seine Wohnung einziehen lassen. Andererseits sammelt sich um den attraktiven Afroamerikaner ein ganzer Menschenschwarm, der sich von ihm (sexuell) angezogen fühlt. Auch Rainer Werner Fassbinder und Ingrid Caven tauchen in Lamberts Rassismusdrama auf, um John für einen Film zu gewinnen – jedoch nicht als Schauspieler, sondern als Schwarzen.

Dabei erfährt der von Fassbinder verkörperte Franz „Fox“ Biberkopf in dessen großartigem „Faustrecht der Freiheit“ (1975) selbst einige Tage zuvor (am 14. und 16. 8.), was es bedeutet, ausgebeutet zu werden. Das Unglück nimmt seinen Lauf, als Biberkopfs Freund, der Schausteller Klaus, verhaftet wird, und Biberkopf aus dem Rummel-Gewerbe ausscheidet. Kurze Zeit später trifft er dafür auf Max und dessen Freunde aus der Schickeria. Diese interessieren sich für Franz zunächst aufgrund seiner proletarischen Einfachheit, die für sie mit einem gewissen Sexappeal einhergeht.

„Faustrecht der Freiheit“ ist eine eine melodramatische Milieustudie

Als Franz jedoch 500.000 DM im Lotto gewinnt, ändern sich die Beziehungen untereinander. Vorgeblich. Denn in Wahrheit bleibt das hierarchische Gefälle zwischen den Männern ­bestehen. Franz’ neuer Gefährte, Eugen Thiess, ein kühles, „bekotztes“ Jüngelchen, lässt sich von ihm eine neue Wohnung und Anzüge spendieren, ebenso soll der väterliche Betrieb durch dessen Mittel vor der Insolvenz bewahrt werden. Der Höhenflug dauert so lange, wie Franz liquide ist. Danach überlässt man ihn, aus- und abgebrannt, sich selbst. Fassbinders Film ist eine schmerzliche und überzogene, eine melodramatische ­Milieustudie. Reich an Kolorit, ein bisschen deprimierend auch.

Mehr flotte Komödie, allerdings ebenfalls Szene-wandlerisch, ist Frank Ripplohs „Taxi zum Klo“ (1980). Lehrer Frank (Ripploh) versucht sich an einem Leben zwischen Freiheit und Konvention, Westberliner Subkultur und Unterricht: Ein Besuch im neuen Saunaclub muss mit dem wöchentlichen Kegelabend der Lehrerschaft vereinbart werden. Und nicht nur das. Freund Bernd, den Frank bei einer nicht stattfindenden Spätvorstellung im Kino aufgelesen hat, hätte mit dem umtriebigen Studienrat gern ein eheähnliches Verhältnis. Ein Horror für Franz. Ideologisch erinnert das an Rosa von Praunheims „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ (1971). Bernd steht demnach für ein eifrig zusammenkopiertes Spießertum, das es zu überwinden gilt. „Taxi zum Klo“ dringt politisch weniger tief, ist in seiner Darstellung aber durchaus keck, charmant, auch schamlos. Radikal in seiner „Weltenunvereinbarkeit“, wie Jürgen Kasten im Programmheft schreibt, und damit auf die schwierigen Bedingungen anspielt, unter denen „Taxi zum Klo“ entstehen musste. Fördern wollte den nämlich niemand.

Filmreihe Homosexualität_en: Zeughauskino, Unter den Linden 2, Programm: www.dhm.de