Berliner Szenen
: Bier, mehr Bier

GmbH für Mundfaule

Dafür war viel Platz für unzählige tätowierte Männerwaden

Einige Jahre habe ich einen großen Bogen um die Biermeile entlang der Frankfurter Allee gemacht. Zu viele Suffköppe und Rechtsextreme. Beim 19. Bierfestival mischte ich mich am Samstagnachmittag unter die Besucher und stellte erfreut fest, dass die Atmosphäre sommerlich-schwülwarm und unaufgeregt-angenehm war. Ich las die Festivalordnung, „Respekt ist unser Bier!“ überschrieben, und erfuhr, dass Bezirksamt und Festivalleitung nicht untätig waren und sogar einen eigenen Gerstensaft gebraut haben. „Die Biermeile ist ein interna­tionales Bierfestival mit jährlich einhunderttausend Gästen unterschiedlicher kultureller, ethnischer, sozialer und religiöser Herkunft. Sie steht damit für Vielfalt und Weltoffenheit. Rassismus, Rechtsextremismus, Gewalt haben auf der Biermeile daher keinen Platz!“

Dafür war umso mehr Platz für unzählige tätowierte Männerwaden, die feuerspeiende Drachen zierten, asiatische Zeichen oder der Schriftzug „Berlin“, und selbst gestaltete T-Shirts. Die Hitze war eh zu groß für viele Worte, da war es praktisch, wenn auf die Kleidung die Bestellung gedruckt ist. „Kann ich’n Bier haben?“ Oder wenn die Abkürzung „GmbH“ für „Geh mir Bier holen“ steht. Auf einem Rücken prangte der Satz „Die Besten trinken aus“. Männergruppen brachten ihren Zusammenhalt durch die gleichen T-Shirts zum Ausdruck. „’tschuldigung, wir sind so“, „Harter Kern Doberburg“.

Mittendrin immer wieder entspannte Familien mit ihrem Nachwuchs. Die Bierbäuche lassen glatt die Ansicht zu, die Gleichberechtigung sei so weit, dass Männer die Kinder austragen. Vielen baumelte ein Bierglas an einem Band um den Hals, so wie Schulkindern der Wohnungsschlüssel. Ich probierte ein Glas russischen Birkensaft. Er war etwas süßlich und sehr erfrischend.

Barbara Bollwahn