piwik no script img

Tauziehen um das Leistungs-Zebra

HANDBALL Als hätte so ein Rekordmeister nicht schon genug, um das sich sorgen ließe: Weil er Geld braucht, könnte Torjäger Filip Jicha den THW Kiel verlassen –so kurz vor Saisonstart eine Katastrophe

Zu den üblichen Untertreibungen, mit denen ein amtierender Meister in eine neue Saison startet, gesellt sich in diesem Fall großes Ungemach. Der THW Kiel ist Seriensieger im deutschen Handball und auch auf der internationalen Bühne ein Hauptdarsteller. Aber die Furcht, mit Filip Jicha einen der besten Spieler – und zugleich den Kapitän – zu verlieren, belastet in diesen Tagen die Vorbereitung bei den „Zebras“. Der FC Barcelona nämlich ist sportlich mindestens so gut wie der THW, aber noch eine Klasse besser, was das Geld angeht: Für rund eine Million Euro möchten die kapitalstarken Katalanen Jicha faus seinem Vertrag herauskaufen. Einen Spieler seiner Güte kurz vor dem Saisonstart zu verlieren, das wäre eine mittlere Katastrophe für den THW.

Vielleicht sind dessen Spieler kaputt und müde, weil das Trainingslager gerade so anstrengend ist. Vielleicht ist die Stimmung aber auch wirklich so mies, wie es in den Interviews klingt. „Ich hoffe, dass Filip bleibt. Wer würde ihn nicht in seiner Mannschaft haben wollen“, sagt Rene Toft Hansen, THW-Kreisläufer und Vize-Kapitän. Das Problem ist nicht nur Barcelonas Finanzkraft: Jicha selbst hat darum gebeten, wechseln zu dürfen. Weil der Tscheche in Folge von Immobiliengeschäften hoch verschuldet sein soll, möchte er Kiel verlassen, schweren Herzens, aber auch mit Aussicht auf ein höheres Jahresgehalt. Der Verein wird nun entscheiden müssen: Geld aufs Konto – oder dem Torjäger mehr zahlen, damit er bleibt.

Jicha zu verlieren würde die Kieler angreifbar machen im Titelrennen. Gegenüber der SG Flensburg-Handewitt zum Beispiel, auf die der THW in dieser Saison auch in der Gruppenphase der Champions League treffen wird. Und gegenüber den Rhein-Neckar Löwen, für Kiels Trainer Alfred Gislason eines der stärksten Teams der Liga. So lange nicht raus ist, ob der derzeit verletzte Jicha geht oder bleibt, lassen sich die Titelchancen für die „Zebras“ nur vage beurteilen.

Zumindest darf sich Geschäftsführer Thorsten Storm darüber freuen, dass dem THW zwei hochkarätige Verstärkungen im Tor gelungen sind: Mit dem Dänen Niklas Landin Jacobsen holte man einen der weltweit besten, auch der deutsche Nationalspieler Nikolas Katsigiannis ist ein Ausnahmetalent. Beide könnten, in Spanien, Frankreich oder auch Katar, deutlich besser verdienen als in Kiel.

Der deutsche Handball hat einen äußerst guten Ruf und das in aller Welt. Seine führenden Funktionäre indes liefern sich gerade eine öffentliche Schlammschlacht und geben bei ihrem verbandsinternen Zoff ein Bild des Jammers ab. Für den THW Kiel hat das aber auch sein Gutes: Die Posse um den Jicha-Verbleib verliert an Brisanz. Christian Otto

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen