Türkei

Präsident Erdoğan beendet offiziell Friedensverhandlungen mit der PKK. Die Lage an der türkisch-syrischen Grenze wird immer brenzliger

Aber wer soll dann die Kontrolle übernehmen

Türkei Präsident Erdoğan plant, dass syrische Turkmenen in das IS-Gebiet einmarschieren. Die USA hingegen setzen weiter auf die Kurden

Beide, die USA und die Türkei, haben den Einsatz eigener Bodentruppen ausgeschlossen

ISTANBUL taz | „Es ist nicht möglich, einen Lösungsprozess fortzuführen mit denjenigen, die die Einheit und Integrität der Türkei untergraben“. So begründete Recep Tayyip Erdoğan das offizielle Ende des Friedensprozesses mit der kurdischen Guerillaorganisation PKK am Dienstag. Der Auftritt des türkischen Präsidenten vor der türkischen Presse erfolgte zeitgleich mit dem Beginn der von der Türkei gewünschten Nato-Sondersitzung in Brüssel, bei der Ankara um Unterstützung für seinen neuen Kurs werben wollte.

An die Adresse derjenigen Nato-Länder gerichtet, die vor Beginn des Treffens die Angriffe der türkischen Luftwaffe auf Camps der PKK im Nordirak kritisiert hatten, sagte Erdoğan: Er erwarte, dass die Verbündeten „unseren Anti-Terror-Kampf“ unterstützen und das Selbstverteidigungsrecht der Türkei anerkennen. Der Präsident fühlt sich dabei auf sicherem diplomatischen Terrain, weil er sich der Unterstützung der Nato-Führungsmacht USA heute sicher glaubt.

Lange hatte es zwischen beiden Ländern gekriselt, US-Präsident Barack Obama hatte seit dem repressiven Vorgehen Erdoğans gegen die Demonstranten am Gezi-Park im Sommer 2013 nicht mehr persönlich mit Erdoğan gesprochen. Dieser weigerte sich dann im Sommer 2014 kategorisch , die syrischen Kurden in Kobani zu unterstützen, während sie gegen die Milizen des Islamischen Staats (IS) um ihr Leben kämpften. Die USA drängten vergeblich auf eine Erlaubnis Erdoğans, ihre Luftwaffenbasis an der türkischen Südküste in Incirlik im Kampf gegen den IS benutzen zu können.

Schließlich kam in der vergangenen Woche doch noch ein Abkommen zwischen den USA und der Türkei zustande. Beide wollen nun gemeinsam den IS von einem ungefähr 120 Kilometer langen Streifen entlang der syrischen Grenze zurückdrängen, um den Nachschub des IS über die Türkei abzuschneiden und IS-Übergriffe zu verhindern.

Aber wer soll in dem Gebiet dann die Kontrolle übernehmen? Beide, die USA und die Türkei, haben den Einsatz eigener Bodentruppen ausgeschlossen. Für die USA gab und gibt es dafür eine klare Option: Die syrischen Kurden, die mit amerikanischer Luftunterstützung den IS in Kobani und Umgebung besiegt haben, könnten weiter nach Westen vorrücken und damit die letzte Lücke zwischen ihren drei autonomen Kantonen schließen.

Das aber will Erdoğan unbedingt verhindern. Er sieht in den syrischen Kurden lediglich einen Ableger der PKK. Am Dienstag ließ der Präsident nun die Katze aus dem Sack: Eine Truppe von 5.000 syrischen Turkmenen, bewaffnet und trainiert von der Türkei, soll in den jetzt noch vom IS kontrollierten Raum vorstoßen.

Bei einem Treffen mit türkischem Militär seien 20 turkmenische Kommandanten aus Syrien anwesend gewesen, berichtete Erdoğan. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Vertreibung des IS funktionieren wird und ob die USA ihre Verbündeten, die syrischen Kurden, auch gegen türkische Übergriffe schützen werden oder sie aus übergeordneten militärischen Interessen fallen lassen. Jürgen Gottschlich