Türkei

Präsident Erdoğan beendet offiziell Friedensverhandlungen mit der PKK. Die Lage an der türkisch-syrischen Grenze wird immer brenzliger

Patriots raus, Tornados rein

Deutschland Regierung kritisiert Erdoğan vorsichtig – Opposition fordert Konsequenzen

Der Patriot-Einsatz gilt als Zeichen der Solidarität mit der türkischen Regierung

BERLIN taz | Vorab hatte die Bundesregierung deutliche Worte gefunden. Der Außenminister zum Beispiel: Eigentlich macht Frank-Walter Steinmeier (SPD) gerade Urlaub in Südtirol. Nach dem blutigen Wochenende in der Türkei und dem Nordirak griff er am Montag trotzdem zum Diensttelefon, um in Ankara anzurufen und seinem türkischen Amtskollegen einen Rat zu geben. „Der so mühsam aufgebaute Friedensprozess mit den Kurden darf jetzt nicht zum Erliegen kommen – dies würde eine ohnehin komplizierte Lage nur noch schwieriger machen!“, sagte er Mevlüt Çavuşoğlu.

Und am Tag darauf? Als Ministerpräsident Erdoğan am Dienstagvormittag offiziell Abstand vom Friedensprozess nimmt, scheint die Bundesregierung überrumpelt. Kanzleramt, Verteidigungsministerium, Auswärtiges Amt: Zunächst schweigen alle. Erst am frühen Abend heißt es aus dem Auswärtigen Amt, man sei „weiterhin der Auffassung, dass es richtig ist, den Annäherungsprozess fortzusetzen und auf die positiven Schritte der letzten Jahre aufzubauen.“

Die Opposition gibt sich weniger diplomatisch. „Die Bundesregierung muss Erdoğans Aufkündigung des Friedensprozesses in der Türkei klar verurteilen und die Konsequenzen daraus ziehen“, sagt die Linken-Abgeordnete Sevim Dağdelen. Von der Bundesregierung fordert Dağdelen daher, den Bundeswehreinsatz in der Osttürkei zu beenden und die dort stationierten Patriot-Raketen abzuziehen.

Im Kampf gegen die PKK spielen diese Flugabwehrsysteme keine Rolle. Stattdessen sollen sie türkische Städte vor Angriffen des syrischen Militärs schützen. Das Regime in Damaskus hat das türkische Staatsgebiet derzeit aber gar nicht im Visier, weshalb der Patriot-Einsatz vor allem als Zeichen der Solidarität mit der türkische Regierung gilt.

Und geht es nach der CDU, wird die Bundesregierung diese Solidarität auch weiterhin zeigen. Zwar sagt Roderich Kiesewetter, Außenpolitiker der Union: „Die Beendigung des Friedensprozesses durch die Regierung in Ankara wird den Kampf gegen den IS erschweren, weil dazu alle vorhandenen Kräfte gebündelt werden müssten.“ Trotzdem fordert er, dass Nato und Bundeswehr in der Osttürkei aktiv bleiben – wenn nicht durch die derzeit relativ nutzlosen Patriot-Raketen, dann in einer „Nato-Folgemission, zum Beispiel durch eine Aufklärung aus der Luft mit sogenannten ‚RECCE-Tornados‘“.

Tobias Schulze