Türkei

Die Regierung Erdogan kämpft an immer mehr Fronten. Auch der Friedensprozess mit den Kurden droht zu scheitern. Die Lage ist brenzlig

Appelle zum Maßhalten

bundestag Kollektives Unverständnis über türkische Angriffe auf die PKK

BERLIN taz/rtr/afp | Im zweiten Anlauf hat Ursula von der Leyen (CDU) doch noch die Kurve gekriegt. „Genauso, wie es richtig ist, dass die Türkei das Recht hat, sich gegen den IS zu wehren, genauso wichtig ist es, dass sie den eingeschlagenen Pfad der Versöhnung mit der kurdischen Arbeiterpartei nicht verlässt“, mahnte die Verteidigungsministerin in der Bild am Sonntag.

Es hat wohl etwas gedauert, bis von der Leyen die Doppelstrategie der Regierung in Ankara begriffen hatte. In einer ersten Reaktion hatte sie zunächst nur die Luftschläge gegen den Islamischer Staat (IS) in Syrien gelobt, die parallelen Militär­operationen gegen die PKK jedoch mit keinem Wort erwähnt. Das hatte die Opposition heftig kritisiert. „Die Bundesregierung wäre gut beraten, anstatt des Lobes für die Angriffe auf den IS diese gefährliche Eskalationsstrategie klar zu kritisieren“, sagte der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour der Nachrichtenagentur Reuters. Dem türkischen Präsidenten Erdogan warf er vor, „zur Vorbereitung der Neuwahlen sogar einen Bürgerkrieg in Kauf zu nehmen“.

„Auf Abwegen“

Die Linkspartei-Abgeordnete Sevim Dagdelen forderte, die Bundesregierung dürfe „Erdogans Aggressionskurs nach außen und innen nicht weiter unterstützen“. Dessen vermeintliche Kehrtwende im Anti-IS-Kampf sei „nur ein Täuschungsmanöver“, sagte die Vizevorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe der taz. Das militärische Vorgehen gegen die PKK verurteilte Dagdelen scharf: „Diese Angriffe ausgerechnet auf diejenigen, die gegen die Barbaren des IS kämpfen, müssen sofort aufhören!“

Unverständnis über den Beschuss der PKK-Lager äußerte auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen. „Die türkische Politik scheint einmal mehr auf Abwegen“, sagte Annen. Zwar seien die Aktionen gegen den IS zu begrüßen. „Doch die zeitgleiche Bombardierung von Stellungen der PKK zeigt, dass Erdogans Prioritäten offensichtlich weiter nicht der Bekämpfung des IS gelten.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Türkei zum Maßhalten im Konflikt mit den Kurden aufgerufen. In einem Telefonat mit dem türkischen Premier Ahmet Davutoglu habe Merkel appelliert, „den Friedensprozess mit den Kurden nicht aufzugeben, sondern trotz aller Schwierigkeiten daran festzuhalten“, erklärte ihr Vizesprecher Georg Streiter am Sonntag in Berlin. Pascal Beucker