Das große Märchen der sauberen Listen

ITALIEN Die politischen Lager für die Parlamentswahl Ende Februar haben sich sortiert. In den Umfragen liegt das linke Lager noch vorn, aber die Berlusconi-Allianz gewinnt an Zuspruch. Es könnte eng werden

Das gemäßigt linke Lager unter Pierluigi Bersani muss leichte Einbußen hinnehmen

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Noch vor wenigen Wochen schien alles auf einen Wahlsieg der Linken bei den italienischen Parlamentswahlen am 24./25. Februar hinauszulaufen, doch mittlerweile ist das Rennen wieder einigermaßen offen, denn gleich fünf politische Lager konkurrieren um die Parlamentssitze, und Silvio Berlusconis Rechte legt bei den Meinungsumfragen kontinuierlich zu.

Am Montagabend endete die Frist zur Einreichung der Kandidatenlisten – und Berlusconi nutzte auch diese Etappe zu einem kleinen Theatercoup. „Saubere Listen“ heißt sein neues Schlagwort; die früher so hochgeschätzten Abgeordneten mit Vorstrafen oder laufenden Verfahren wegen Mafia-Kontakten und Ähnlichem müssen diesmal aussetzen. Am härtesten trifft es dabei den Abgeordneten Nicola Cosentino. Er gilt den Staatsanwälten als politischer Gewährsmann des Mafia-Clans der Casalesi. Doch Berlusconi opferte ihn nun, um sich damit unangreifbar zu machen. Die Meinungsumfragen bestätigen ihn: Der Block aus seiner Partei PdL, der rechtspopulistischen Lega Nord, der Faschismusnostalgiker von „La Destra“ („Die Rechte“) und zahlreichen Minilisten liegt jetzt bei 30 Prozent.

Leichte Rückgänge in den Umfragen auf teils unter 40 Prozent muss dagegen das bisher favorisierte gemäßigt linke Lager unter Pierluigi Bersani hinnehmen. Ein „gerechtes Italien“ ist der Wahlkampfslogan der Allianz unter dem Partito Democratico (PD) und der stramm linken Sinistra Ecologia Libertà (SEL – „Linke, Ökologie, Freiheit“).

Sicher ist derzeit nur, dass der gemäßigte Linksblock auf eine Koalition mit dem Mitte-rechts-Lager unter Mario Monti hinarbeitet; nicht umsonst fassen Bersani und Monti einander im Wahlkampf mit Samthandschuhen an. Doch der Monti-Block aus der „Scelta civica“ („Bürgerliche Entscheidung“), der christdemokratischen UDC und der gemäßigt rechten FLI kann nur auf 15 Prozent der Stimmen hoffen.

Im Abgeordnetenhaus würde das Bersani eine komfortable Mehrheit sichern, zumal die führende Allianz automatisch 54 Prozent der Sitze erhält.

Völlig anders ist die Situation im Senat: Dort wird der Mehrheitsbonus Region für Region vergeben. Berlusconis Rechte hofft, einige Regionen zu erobern, umso mehr, als zwei weitere Mitspieler auf dem Feld sind. Die Antiparteienliste Movimento 5 Stelle („5-Sterne-Bewegung“) unter dem Komiker Beppe Grillo liegt bei 15 bis 20 Prozent. Grillo, den vor allem enttäuschte Linke wählten, wirbt nun offen auch hart am rechtspopulistischen Rand. So erklärte er, mit der rechtsradikalen Organisation Casa Pound habe er viele Berührungspunkte und der Antifaschismus gehe ihn nichts an. Jüngst forderte er sogar, die Gewerkschaften abzuschaffen. Auf die Grillo-Enttäuschten wartet die Liste „Rivoluzione civile“ unter dem früheren Anti-Mafia-Staatsanwalt Antonio Ingroia, in der linke Basisbewegungen und kommunistische Splittergruppen zusammengefunden haben. Gut 5 Prozent werden der Liste zugetraut – genug, um im Senat ein Patt zu schaffen.