Im Namen der Queen

Schwimm-WM Die Erfolge des 20-jährigen Brustschwimmers und Weltrekordhalters Adam Peaty sind auch Ergebnis der enormen britischen Investitionen in den Sport. Heute startet er über 50 Meter

Starker Wettkampftyp: Adam Peaty Foto: reuters

KASAN taz | Adam Peaty ist ein höfliches Kerlchen – und ohne sein freundliches Wesen wäre es wohl nichts geworden mit der Schwimmerei. Als er zehn war, entdeckten die Talentsucher auf der britischen Insel seine außergewöhnliche Begabung fürs Brustschwimmen. Der liebe Junge aus Uttoxeter in der Grafschaft Staffordshire folgte ihnen – und schon war er drin in der Tretmühle Leistungssport. Obwohl ihm Schwimmbäder bis dahin ein Gräuel waren. Und nicht nur die.

„Ich hasste auch die Dusche, ich hasste das Badezimmer“, erzählte Peaty während der EM im Vorjahr. In seiner Heimat ist der einstige Wasser-Hasser inzwischen der absolute Star im starken englischen Team, nicht erst seit seinem Weltrekord über 100 Meter Brust im April. Bei 57,92 Sekunden schlug Peaty damals im Aquatics Centre von London an – als erster Mann, der über die zwei Bahnen Brust unter 58 Sekunden geblieben war.

Als „Beamon-mäßig“ bezeichnete der Guardian den Rekordlauf des 20-Jährigen – in Anlehnung an den Fabelweltrekord des US-Weitspringers Bob Beamon bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko. Und Peatys Leistungen kommen umso erstaunlicher daher, gab er doch erst bei der Kurzbahn-EM im Dezember 2013 im dänischen Herning seinen internationalen Einstand in der Schwimmer-Elite.

Aus dem Neuling ist binnen kurzer Zeit eine echte Institution geworden. Eines seiner großen Idole war Cameron van der Burgh – bis zum 17. April in London, als er dem Südafrikaner dessen drei Jahre alten Weltrekord entriss. Nun ist das Idol zum Jäger geworden – auch beim WM-Finale über 100 Meter Brust am frühen Montagabend (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet), auf das sich der Halbfinalbeste Peaty vorab schon mächtig freute: „Das wird ein massives Gerangel.“

Ein typischer Satz für den jungen Mann mit dem enormen Bizeps. Als „Wettkampftyp“ bezeichnet ihn seine Trainerin Melanie Marshall. „Je größer die Arena, je größer der Kampf, umso stärker tritt er auf“, betont die frühere Top-Schwimmerin, die ihren berühmten Schüler bei den Krafteinheiten schon mal Traktorreifen durch die Landschaft ziehen lässt.

Dabei profitierte Muskelmann Peaty bei seinem rasanten Aufstieg in die Weltspitze nicht nur von Marshalls ungewöhnlichen Trainingsmethoden – seine Leistungen sind auch das Ergebnis der enormen Summen, die im Vereinigten Königreich in Medaillen bei internationalen Großereignissen gepumpt werden. „Es gibt Länder wie England, die sich entschlossen haben, Sport in hohem Maße zu fördern. Das würde mir in Deutschland auch sehr gefallen“, kommentiert Henning Lambertz.

Der Chefbundestrainer hat ein waches Auge auf die Olympia-Gastgeber von 2012 – und auf deren immer fulminantere Einlagen im Pool. „Bei der letzten Junioren-EM hat uns England in der Medaillenwertung schon überholt, und das nicht nur ein bisschen. Das ist ein Zeichen dafür, wie stark diese Nation sich gerade aufstellt“, betont Lambertz, für den die Zusammenhänge zwischen Geld und Erfolg offen auf der Hand liegen. „Bei der letzten EM“, erwähnt er, „war England die klar dominante Nation – und da muss man Parallelen zur tollen Förderung ziehen.“

24 Stück Edelmetall, 9 davon aus Gold, räumten die britischen Bahnenzieher beim kontinentalen Kräftemessen im letzten August in Berlin ab. Seinen ambitionierten Plan, England bis zu den Spielen 2020 als Schwimm-Nation Nummer eins in Europa abzulösen, verfolgt Lambertz trotzdem weiterhin tapfer.

Aus dem Neuling ist binnen kurzer Zeit eine echte Institution geworden

Zum deutsch-englischen Showdown zwischen Europameister Marco Koch und ­Peaty, der am Dienstag zunächst seine zweite Weltrekordstrecke, die 50 Meter angeht, könnte es in Kasan über 200 Meter Brust kommen. Das Finale steigt am Freitag – und auch dann gilt wieder das Bekenntnis des stolzen Brustschwimmers aus den Midlands: „Die letzte Bahn schwimme ich immer für die Queen und Großbritannien.“

Und der einst so wasserscheue Wettkampftyp wird noch sehr viele letzte Bahnen schwimmen. Das nächste Ziel auf seinem Raubzug ist Rio. „Denn“, betonte Peaty nach seinem Beamon-mäßigen Zeitsprung im April, „ohne olympisches Gold ist dieser Weltrekord nichts.“ ANDREAS MORBACH