Dem Serienmeister ans Bein gepieselt

Supercup Nach einem Elfmeterschießen gewinnt der VfL Wolfsburg mit viel Dusel gegen den FC Bayern München das Kunstproduktfinale und etabliert sich als Jäger des Meisters

Artistisch hält Wolfsburgs Torhüter Koen Casteels den Ball des Bayern Xabi Alonso im Elfmeterschießen Foto: ap

aus Wolfsburg Christian Otto

Dieser leicht zickige Unterton blieb bis in die späte Nacht ihr treuer Begleiter. Die Profis des FC Bayern München sind es auf nationaler Ebene nicht mehr gewohnt, einem Konkurrenten zu einem Titel zu gratulieren. Entsprechend dünnhäutig reagierten seine Hauptdarsteller auf eine 5:6-Niederlage nach Elfmeterschießen, die überraschend entstanden war. „Wir haben uns für ein gutes Spiel nicht belohnt. Das ist sehr ärgerlich und darf nicht passieren“, sagte etwa Offensivkünstler Arjen Robben. Nach seinem Führungstor aus der 49. Minute hatten die Bayern ihren sicher geglaubten Erfolg beim VfL Wolfsburg kurz vor der Ziellinie noch verspielt.

Als sich die glücklichen Wolfsburger Sieger vor 30.000 Zuschauern im Konfettiregen feiern ließen, waren ihre Gäste längst in den Sanitärbereich enteilt. Die Münchener Profis flüchteten sich in beißenden Humor. „Es wird Zeit jetzt. Wir müssen mal wieder deutscher Meister werden“, meinte Torhüter Manuel Neuer.

Der Supercup ist ein Kunstprodukt, das zur Bewerbung der neuen Saison in der Fußball-Bundesliga Meister und Pokalsieger aufeinandertreffen lässt. Aber er ist eben auch dieser Wettbewerb, den der FC Bayern zum dritten Mal in Folge nicht gewinnen konnte. Ein Tor des Wolfsburger Reservisten Nicklas Bendtner Sekunden vor dem Abpfiff rettete den VfL ins Elfmeterschießen. Einen Fehlschuss von Bayern-Star Xabi Alonso und einen weiteren Bendtner-Treffer später stand fest: Der übliche Dusel, mit dessen Hilfe die Münchener sonst schwierige Spiele gewinnen, wollte im Supercup wieder nicht mitwirken.

Im Grunde war dieses Duell die beste Werbung, die sich für die in zwei Wochen beginnende Saison inszenieren ließ. Ein Ausrutscher des Serienmeisters aus München, der mehrheitlich seine besten Könner aufgeboten hatte, wird bundesweit immer bestaunt. Und die wirklich schwungvolle Partie hatte sogar Phasen, in denen der VfL Wolfsburg die Regie zu übernehmen wusste. Natürlich wurde Bayern-Trainer Pep Guardiola hinterher gebeten, die Stärke und die künftige Rolle der Niedersachsen zu beleuchten. Frage: Ist der VfL Wolfsburg derzeit der beste Herausforderer des FC Bayern? Guardiola fiel in seinem Frust nichts Besseres ein, als auch die Konkurrenz aus Leverkusen, Mönchengladbach, Gelsenkirchen und Dortmund zu loben. „Aber wir sind auch für die anderen ein Problem“, ergänzte ein Besiegter. Er wirkte, als habe ihm gerade ein frecher Bengel einfach mal an den feinen Designeranzug gepieselt.

Zu den zarten Hinweisen darauf, wie gut der VfL Wolfsburg in dieser Saison auftrumpfen kann, gesellten sich leider auch neue Hinweise auf die nicht enden wollende Dominanz des FC Bayern. Mit dem Brasilianer Douglas Costa, für rund 30 Millionen Euro Ablösesumme aus Donezk verpflichtet, hatte der Rekordmeister den mit Abstand schnellsten und trickreichsten Spieler in seinen Reihen. Auch das Debüt des Chilenen Arturo Vidal, der gerade Juventus Turin abgekauft worden ist, lässt Ungemach erahnen. Der Mann für die aggressiven Momente im Mittelfeld trumpfte nach nur drei Trainingseinheiten gleich selbstbewusst auf, dirigierte kurz nach seiner Einwechslung die neuen Mitspieler und grätschte sofort unliebsame Konkurrenten um.

Dumm war eben nur: Sie hatten die Supercup-Partie in Wolfsburg dominiert und dann irgendwie vergessen, die nötigen Hausaufgaben zu erledigen. Am Ende darf sich der VfL Wolfsburg mit einem kleinen, eher belanglosen Titelchen schmücken, das es gerade so in dessen Briefkopf schaffen wird. Er darf aber auch die zarte Hoffnung verbuchen, dass der Serienmeister aus München in der Spielzeit 2015/16 schlagbar sein könnte.