Die Nummer eins im Pott ist der FC St. Pauli

Nach dem 0:3 am Millerntor gegen St. Pauli beklagen Essens Trainer und Fans eine Nichtleistung und fordern mehr Leidenschaft von den Profis. Die Hamburger Fans entwickeln ein Faible für Teams aus dem Ruhrgebiet

HAMBURG taz ■ 4:0 gegen Bochum im Pokal, 1:0 in Wattenscheid und nun 3:0 gegen Essen. Der FC St. Pauli entwickelt in den letzten Wochen eine ganz besondere Beziehung zu Vereinen aus dem Westen. Auch die Fans vom Hamburger Millerntor würdigten dies und begrüßten Rot-Weiß mit dem Transparent “Essen ist fertich“, um nach dem 3:0 Erfolg durch die Tore von Michel Mazingu-Dinzey (46.), Fabian Boll (57.) und Felix Luz (89.) ihren derzeitigen Kurvenschlager anzustimmen: „Die Nummer eins im Pott sind wir.“

Dass dieser bei den Essener Fans nicht besonders gut ankam, zeigten nicht nur frustrierte Würfe von Rauchbomben auf den Rasen, sondern auch nach dem Spiel, als eine Gruppe solange wütend am Zaun rüttelte, bis Alexander Löbe und Stefan Lorenz die Gemüter durch Einzelgespräche wieder beruhigen konnten. Die Essener Anhänger spulten die Leier von Fußball-Söldnern runter, die „wenn man nicht aufsteigt, einfach den Verein wechseln können.“ Ohne einen Namen auszusprechen, könnte damit Holger Wehlage angesprochen sein, der in vielen Interviews vor dem Spiel gegen seinen Ex-Verein verkündete, seine „schönste Zeit beim FC St. Pauli“ gehabt zu haben und sich vorstellen könne seine Karriere gern dort beenden zu wollen.

Essens Trainer Uwe Neuhaus wollte zu Einzelspielern lieber keine Auskunft geben. In Sorge darüber etwas „Unbedachtes“ zu sagen, verordnete er sich selbst öffentliche Zurückhaltung. „Mir fehlen ein bisschen die Worte. Ich bezeichne dies als Nichtleistung meiner Mannschaft. Ich hätte nicht gedacht, dass meine Mannschaft zu so einer schlechten Leistung in der Lage ist. Ich muss zumindest versuchen, darüber zu schlafen“, verkündete Neuhaus betroffen. Sein Kollege Andreas Bergmann vom FC St. Pauli differenzierte die Aussagen dahin gehend, dass es auch „der Leistung meiner Mannschaft geschuldet ist, dass Essen nicht so richtig zum Zug gekommen ist.“

In der Tat wurden die Essener Offensivbemühungen mit dem auffälligen Ferhat Kiskanc von St. Paulis Defensive bis auf eine Chance nach einer halben Stunde für Alexander Löbe, der an einer Flanke von Holger Wehlage vorbeisegelte frühzeitig gestoppt. Mit den häufiger auftretenden Ballverlusten der Essener in der Offensive startete St. Pauli dann in der ersten Halbzeit einige Konter, die noch nicht zu Torerfolgen führten.

Mit dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit fiel dann das 1:0 durch Dinzey nach einer Flanke von Ian Joy für St. Pauli. Essen zog sich immer weiter zurück und ließ die Hamburger weiter ins Spiel kommen. Die 2.500 Essener Fans sahen kaum Bemühungen ihres Teams, sich gegen die anbahnende Niederlage zu stemmen. Die Gastgeber kamen von einer Chance zur nächsten bis Fabian Boll mit einem Flugkopfball nach Vorarbeit des herausragenden St. Paulianers Timo Schultz zum 2:0 traf.

Holger Wehlage durfte anschließend vom Feld und wurde vom jungen Moritz Stoppelkamp ersetzt. Doch die Essener kamen nicht mehr in den Tritt. Vor dem Hintergrund der Erfolge von Kiel und Lübeck sowie sechs Punkten Rückstand auf einen Aufstiegsplatz scheint der Wunsch von Holger Wehlage, einem gemeinsamen Aufstieg von Essen und St. Pauli, ein Traum zu bleiben – genau wie seine gewünschte Rückkehr ans Millerntor. Dafür war auch seine Leistung zu schwach. OKE GÖTTLICH