DIE LobbyistIN der Woche
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Die Frau, die nicht stolpert

Foto: dpa

Das Objekt des Streits misst exakt 96 mal 96 Millimeter. Auf der Vorderseite erinnert ein auf einer Messingplatte eingravierter Name an einen von den Nazis ermordeten Menschen. Tausende dieser von dem Künstler Gunter Demnig erfundenen Stolpersteine sind inzwischen in Deutschland verlegt worden. München aber ist bis heute frei von ihnen – und dabei wird es bleiben, denn so beschloss es der Stadtrat. Ein Sieg ist es vor allem für Charlotte Knobloch (Foto), die 82-jährige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

Knobloch, die – als Kind bei einer katholischen Familie in Franken versteckt – die NS-Zeit überlebt hat, empfindet die Stolpersteine als eine Miss­ach­tung der Opfer. „Damit wird das Andenken von Menschen, die Verfolgung und Entwürdigung erleben mussten, bevor sie auf schreckliche Weise ermordet wurden, sprichwörtlich mit Füßen getreten“, sagte sie, die schon seit 1985 die Jüdische Gemeinde in der bayerischen Landeshauptstadt leitet. Mit ihrer Kritik steht sie nicht allein; der Vorstand der Münchner Gemeinde hat erst jüngst einstimmig gegen Stolpersteine votiert. Doch die konservative Knobloch ist zweifelsfrei die wortmächtigste und prominenteste Gegnerin dieser Form des Gedenkens, eine Frau, die stets unmissverständlich sagt, was sie denkt.

Viele andere deutsche Juden, darunter auch Münchner, befürworten die Stolpersteine; im Vorfeld der Münchner Entscheidung stritten sich Gegner und Unterstützer leidenschaftlich. Einige der Befürworter wollen sich nicht mit dem Beschluss abfinden, lediglich Stelen an früheren Wohnhäusern von Opfern des Holocaust zu genehmigen, was wohl nur in den seltensten Fällen realisierbar sein wird. Sie planen eine Klage gegen das Stolperstein-Verbot. Klaus Hillenbrand