OLYMPIA Peking setzt sich knapp gegen Almaty durch und wird Gastgeber der Winterspiele 2022. Die rosigen ökonomischen Perspektiven haben offenbar den Ausschlag gegeben
: Die Kunstschneespiele

IOC-Präsident Thomas Bach winkt Chinas Basketballer Yao Ming zum Gruß Foto: reuters

von Johannes Kopp

Zum ersten Mal in seiner Amtszeit durfte Thomas Bach den berühmten Briefumschlag öffnen und den Namen des Gastgebers für die Olympischen Winterspiele 2022 bekanntgeben. Als der Chef des Internationalen Olympischen Komitees am Freitag in Kuala Lumpur um 17.57 Uhr Ortszeit dann das Kärtchen mit der Aufschrift „Beijing 2022“ in die Kameras hielt, brandete Jubel bei der chinesischen Delegation um den ehemaligen Basketballstar Yao Ming auf.

Der Favorit setzte sich allerdings mit 44:40 Stimmen überraschend knapp gegen den einzigen Konkurrenten aus Almaty (Kasachstan) durch. Mit München, Graubünden, Oslo, Krakau, Lwiw und Stockholm hatten etliche Bewerber bereits im Vorfeld ihre Kandidatur zurückgezogen. Peking ist nun weltweit die erste Stadt, in der nach Olympischen Sommerspielen (2008) auch Winterspiele ausgetragen werden. Zudem wird Asien nach 2018 in Pyeong­chang und 2020 in Tokio dreimal hintereinander Schauplatz Olympischer Spiele sein.

„Man hat erfahren, dass man mit Präsentationen vermutlich verlieren, aber nicht gewinnen kann.“DOSB-Vorstandsvorsitzender Michael Vesper nach der gelungenen Vorstellung von Almaty

„Die Vergabe an Peking birgt ganz klar die Gefahr, dass es bei der Vorbereitung und Durchführung der Olympischen Spiele wie bei den Sommerspielen 2008 zu Menschenrechtsverletzungen kommt.“Wolfgang Büttner Sprecher von Human Rights Watch Deutschland

„Wir geben alle Garantien, die erforderlich sind.“Vizeministerpräsidentin Liu Yandong

„Die Niederlage des Außenseiters aus Kasachstan, der sich schon vergeblich um die Spiele 2014 beworben hatte, ist auch ein Dämpfer für die Reformbestrebungen des IOC und seiner Agenda 2020.“Die deutsche Nachrichtenagentur dpa

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping versprach in einer Fernsehansprache kurz vor der Vergabe „außergewöhnliche und ausgezeichnete Spiele“. China werde alle Verpflichtungen gegenüber dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) einhalten. Der Zuschlag für 2022 werde viele Chinesen zu Wintersportlern machen.

Der wirtschaftliche Aspekt, die Erschließung eines vielversprechenden Markts, dürfte beim Votum der Sportfunktionäre eine maßgebliche Rolle gespielt haben. In diesem Sinne äußerte sich auch IOC-Präsident Thomas Bach. Die Entwicklung eines großen Skigebiets in China sei möglicherweise der entscheidende „kleine Unterschied“ gewesen. „Es ermöglicht 300 Millionen Menschen in China den Zugang zum Wintersport“, sagte Bach.

Lobend hervorgehoben wur­de von ihm unter anderem auch das kostengünstige Modell der Pekinger Bewerbung, die für die Winterspiele Sportanlagen der Sommerspiele 2008 wie das Olympiastadion nutzen wird. Diese Planspiele könnten allerdings konterkariert werden durch notwendige und teure Infrastrukturmaßnahmen, um das 190 Kilometer entfernte Skigebiet Zhangjiakou besser an die Stadt Peking anzubinden. Der Bau der geplanten Schnellzugstrecke ist ein nicht abschätzbares Milliarden-Euro-Projekt. Kritisiert wird zudem, dass es in den Bergen von Zhangjiakou kaum schneit und der ökologisch bedenkliche Einsatz von künstlich produziertem Schnee unvermeidbar ist.

Die Tibet Initiative Deutschland erklärte, die Vergabe an Peking sei „ein Pro­pagandageschenk“

Almaty konnte offenbar mit seinem Konzept der kurzen Wege in einem traditionsreichen Wintersportgebiet doch mehr Funktionäre auf seine Seite ziehen, als zuvor erwartet wurde. Letztlich half den Kasachen aber der starke Bewerbungsendspurt, ein athletenfreundliches Konzept und eine beeindruckende finale Präsentation in Kuala Lumpur nicht, um die benachbarte Sportgroßmacht noch auszustechen.

Die miserable Menschenrechtssituation wurde indes von vielen Kritikern beiden Kandidaten angekreidet. Während IOC-Chef Bach in einem Beitrag für die FAZ am Freitag noch versicherte, sowohl Peking als auch Almaty hätten schriftliche Zusagen gemacht, dass sie die Prinzipien der Olympischen Charta wie etwa das Diskriminierungsverbot während der Dauer der Spiele einhalten werden, kritisierte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Entscheidung für Peking deutlich: „Hunderte Menschenrechtler in China werden diese Fehlentscheidung mit Haft oder sogar ihrem Leben bezahlen müssen, da die Volksrepublik vor den Spielen erneut ihre Verfolgung von Uiguren, Tibetern, Mongolen und Anhängern der Demokratiebewegung verstärken wird“, sagte der GfbV-Experte Ulrich Delius. Die Tibet Initiative Deutschland erklärte in einer Stellungnahme, die Ehre, Olympische Spiele zum zweiten Mal austragen zu dürfen, sei „ein Propagandageschenk“ zu einer Zeit, wo Chinas Regierung eigentlich für ihre Menschenrechtspolitik abgestraft werden müsste. (mit dpa)