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BERLINER SZENENHüben wie drüben

Vorführeffekt

Sie werfen ein paar Schälchen zu Boden, wo sie zerschellen

Die wichtige Businessconnection aus München ist da. Wir wollen einen Happen essen, ein Glas Wein trinken, weltbewegende Projekte besprechen. „Ich kenn’ ja in Berlin bloß den Savignyplatz. Aber ich komm auch gern mal woanders hin“, hat sie gesagt. Also bestelle ich sie am frühen Abend ins gentrifizierte Kreuzberg zum Spanier, bei Blanco und Tapas.

Der Kellner weist uns freundlich darauf hin, die Handys nicht auf den Tisch zu legen. Zu gefährlich. Brav befolgen wir den Rat. Alles ist schön; ein paar Radfahrer schrammen haarscharf an unserem Tisch vorbei, einige Leute wollen Geld, andere machen „Musik“, ein Tourist schmeißt ein Dutzend Leihräder bei Kubi um, alles im grünen Bereich. Dann. Zwei Typen, einer dünn, einer muskulös, schlendern an unserem Tisch vorbei. Der eine greift in den Brotkorb, der andere bedient sich vom Teller mit den gegrillten Sardellen. Dabei werfen sie ein paar Schälchen zu Boden, wo sie zerschellen, und marodieren weiter. Der Kellner kennt sie schon, mir ist es peinlich. Vorführeffekt. Die Connection verzieht keine Miene. München werde auch immer schlimmer, behauptet sie. Auf dem Tisch steht nur noch ein Teller mit etwas Salami und Schinken.

Ein Altpunk in Militärkleidung und mehreren Pfund Metall im Gesicht bleibt neben uns stehen und betrachtet interessiert die Auslage. „Sieht jut aus. Dürfte ick da ne Scheibe probieren?“ „Na klar“, sagt die wichtige Connection, tiefenentspannt. „Brot ist auch noch da, und nimm dir den Rest vom Schinken.“ Zufrieden belegt der Mann seine Stulle. „Toll. Vielen Dank!“, strahlt er uns an, Metall glitzert in seinem Mund. Die Connection freut sich auch: „Das ist doch schön, der fragt wenigstens.“ Ich bitte um die Rechnung. Vielleicht hat ja am Savignyplatz noch ne Bar geöffnet. Ulla Ziemann

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