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PREMIERE Viele Russen können mit Männern beim Synchronschwimmen noch nicht viel anfangen. Ihr Lands- mann Alexander Malzew gewinnt mit Darina Walitowa trotzdem die Silbermedaille bei der WM in Kasan

„Ich habe kein Problem, meine balletttänzerischen Fähigkeiten zu zeigen“: Alexander Malzew (links) Foto: abc

Von Johannes Kopp

Eine Goldmedaille hätte es bei der Premiere schon sein müssen. Im Synchronschwimmen ist Russland kaum zu schlagen – egal in welcher Unterdisziplin. Und bei der Weltmeisterschaft im russischen Kasan durften erstmals beim Synchronschwimmwettbewerb Männer ins Becken steigen.

Mit der Silberplakette werden Alexander Malzew und seine Partnerin Darina Walitowa im eigenen Lande kaum Anerkennung gewinnen. Zumal die Einführung der gemischten Doppels auch von prominenter Seite mit großem Argwohn begleitet wurde. Malzew fasste die Vorbehalte in seinem Land nach seinem Auftritt am Sonntag noch recht vorsichtig zusammen: „Bei uns gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich habe kein Problem, meine artistischen und balletttänzerischen Fähigkeiten zu zeigen.“ Im Vorfeld der WM hatte der russische Sportminister Witali Mutko die Einführung der neuen Disziplin durch den Schwimmweltverband Fina „dumm und „fehlerhaft“ genannt. Ende November 2014 wurde die kleine Revolution in der Welt des Synchronschwimmens auf dem Fina-Kongress in Doha (Katar) beschlossen. Gefallen findet sie in Russland kaum. Die russische Olympiasiegerin Swetlana Romaschina ließ ebenfalls wissen, sie sei „kategorisch gegen Männer in unserer Sportart“, bei der es um Schönheit und nicht um Stärke ginge.

Wegen dieser Stellungnahmen thematisierten einige Journalisten zuletzt die in Russland noch so verbreiteten homophoben Einstellungen rund um die Schwimm-WM in Kasan. Ein Blick auf das Siegerpodest hätte aber genügt, um zu sehen, dass der Kampf gegen Vorurteile im Synchronschwimmen ein globaler ist.

Der US-amerikanische Goldmedaillengewinner Bill May, der mit seiner Partnerin Christina Jones knapp das russische Paar hinter sich ließ, konnte sein lang ersehntes Glück kaum fassen. „Ein Traum wurde wahr, ich bin so stolz, dabei zu sein.“ In den späten 90er Jahren gewann der heute 36-Jährige bereits bei den US-Meisterschaften gegen die Frauenkonkurrenz insgesamt 14 nationale Titel. Obwohl er sich 1999 gegen die komplette Frauenelite durchgesetzt und sich für die Olympia qualifiziert hatte, durfte er bei den Sommerspielen in Sydney 2000 nicht starten. Sein Einspruch blieb folgenlos. Frustriert trat er zurück.

Der Kampf gegen Vorurteile im Synchronschwimmen ist ein globaler

Synchronschwimmer sind eine seltene Spezies. Auch in Deutschland gibt es mit Niklas Stoepel derzeit im Leistungsbereich nur einen männlichen Synchronschwimmer. Für die WM in Kasan reichten seine Leistungen nicht, aber auch im nationalen Wettbewerb muss Stoepel mit einigen Widrigkeiten zurechtkommen. Vor wenigen Tagen beschrieb er dies auf sehr indirekte Weise Zeit Online: „Es gab auch schon Wettkämpfe, wo Zuschauer das Gefühl hatten, dass wir schlechter bewertet worden sind, nur weil ich dabei war. Eine Wertung ist immer subjektiv, aber es gibt eben einige, die sagen: Das ist ein Frauensport und da haben Männer nichts zu suchen.“

Über seine Cousine hat der Bochumer die Leidenschaft zum Synchronschwimmen entdeckt. Ein unvorhergesehener Zufall also. Beim russischen Silbermedaillengewinner Alexander Malzew hingegen ist die Karriere schon früh angelegt worden. Malzew erzählte einst, dass seine Mutter ihn bereits im Alter von sieben Jahren zum Synchronschwimmen in St. Petersburg geschickt habe. Sie sei der Meinung gewesen, dass diese künstlerische Sportart für eine harmonische Entwicklung von Nutzen sein könne. Und sie habe völlig recht behalten, findet der 20-Jährige. Aufgrund seines Talents kam Malzew ins Auswahlteam von St. Petersburg. Die Startbedingungen für diese ungewöhnliche Karriere hätten also durchaus schwieriger sein können.

Beim Weltverband verging sehr viel Zeit, bevor man sich auf die Premiere einließ. Erst dessen Gesinnungswandel hat den ersten Goldmedaillengewinner im Synchronschwimmen, Bill May, wieder zur Rückkehr zu seinem Sport bewegt. Genderpolitische Erwägungen dürften bei der Fina weniger im Vordergrund gestanden haben. „Es ist auch ein Geschäftsmodell. Wenn die Medien darüber berichten, kann es uns nur recht sein“, räumte Fina-Generaldirektor Cornel Marculescu offen ein. Es geht also auch um den Zirkus. Dem Amerikaner May dürfte dies egal sein, er ist sowieso schon mit einem Wasserprogramm im kanadischen Cirque du Soleil aufgetreten.