Die politische Apathie der Muslime

Muslimische Minderheit Viele Muslime fragen sich, was sie überhaupt davon haben, wenn sie zur Wahl gehen? Doch diese Gleichgültigkeit betrifft auch andere. Denn nur wenige glauben, dass die Wahlen wirklich frei und fair sein werden

Vorbereitung zum Fastenbrechen in einer Moschee in Taunggyi, Hauptstadt des Staates der Shan Foto: Soe Zeya Tun/reuters

Von Aung Naing Soe

Es ist gegen 16 Uhr in Kandawlay, einem überwiegend muslimischen Viertel in Yangon: Die Bewohner kaufen ein und kochen für Iftar, das abendliche Fastenbrechen im Ramadan.

Im lokalen Wahlbüro ist vom Treiben in den Straßen nichts zu spüren. Hier können Anwohner überprüfen, ob ihre Namen auf der offiziellen Wählerliste stehen. Aber nur wenige aus der Menge vor der Tür treten ein. „Ich mache das später, wenn die Wahlen näherrücken“, sagt Nachbar Than Htun, während er Obst an einem Stand einkauft.

Für die Parlamentswahlen am 8. November zeigen bislang vor allem Muslime kaum Engagement. Sie machen fünf Prozent von Myanmars 51 Millionen Einwohnern aus, der Rest sind überwiegend Buddhisten. Doch das Land verfällt immer mehr in einen religiösen Nationalismus. Die oppositionelle Nationale Liga für Demokratie (NLD) und die regierende Unionspartei für Solidarität und Entwicklung (USDP) tun alles, um nicht als promuslimisch angesehen zu werden.

Ein lokaler Gemeindefunktionär, der anonym bleiben will, beschreibt die Meinung vieler: „Was haben denn Muslime davon, wenn sie zur Wahl gehen?“

Dabei zählten Muslime zu den eifrigsten Anhängern von Aung San Suu Kyis NLD. Die siegte bei früheren Wahlen in fast allen muslimisch geprägten Wahlkreisen im Land.

Doch der Übergang zu einer zivilen Regierung, die 2011 begann, löste eine Flut buddhistischen Extremismus und sporadischer kommunaler Gewalt aus. Dutzende Buddhisten und Muslime starben dabei. Spannungen im Staat Rakhaing im Westen, wo muslimische Rohingya immer wieder verfolgt werden, verschärfen die Lage. Die Rohingya versuchen, auf Booten zu fliehen, doch ein Schlag gegen Schlepper hat die Fluchtbewegung über das Meer jüngst weitgehend gestoppt. Die Bilder verzweifelter Rohingya haben Myanmars schlechten Ruf in der Welt vergrößert, was den Groll unter Buddhisten und Nationalisten schürt.

Im März 2013 hatte der Mönch U Wirathu, ein prominenter nationalistischer Scharfmacher, Aung San Suu Kyis NLD vorgeworfen, eine „muslimische Partei“ geworden zu sein. Dies geschah kurz vor Unruhen zwischen Gruppen beider Glaubensrichtungen in Meiktila im selben Jahr.

Im Juni 2014 musste sich die Frau des jetzigen Informationsministers entschuldigen, nachdem sie Aung San Suu Kyi auf einem manipulierten Foto mit einem muslimischen Kopftuch auf Facebook gezeigt hatte. Beobachter meinen, Vorwürfe wie diese lassen Aung San Suu Kyi zögern, die Behandlung der Rohingya zu verurteilen, weil sie im Wahljahr niemanden abschrecken will.

Die Gründe für die politische Apathie der Muslime vor den Wahlen scheinen klar. Doch das Bild ist nicht schwarz-weiß. Robert San Aung, ein prominenter Menschenrechtsanwalt, glaubt, dass nicht nur die muslimische Minderheit, sondern die Bevölkerung insgesamt von Gleichgültigkeit befallen ist, weil die Menschen nach all den Jahren der falschen Versprechen und gestohlener Wahlen nicht an diese glauben: „Das ganze Land ist an den Wahlen nicht interessiert, weil sie wohl nicht frei und fair sein werden“, sagt er.

Ein muslimischer Geschäftsmann geht davon aus, dass seine Glaubensbrüder und -schwestern auch künftig „missbraucht und diskriminiert werden“ – egal, wer die Wahl gewinnt. „In dieser Atmosphäre haben wir Muslime keinen Platz.“