Klar: Manchen nervt mein Hobby-Landwirtinnentum. Aber der alte Schweinebauer hat mir nun mal angeboten, ich solle mich bedienen an den Resten seines Hofes
: Klauen

Foto: Privat

VOGELFLUGLINIE

von REBECCA CLARE SANGER

Klauen, klauen, Kirschen wollen wir klauen“ – ein möglicher Zaun und Futtertröge und das Stroh vielleicht haben mich zu Prebens Hof verschlagen, dabei wohnt Preben da gar nicht mehr, und seine Schweine erst recht nicht. Letzten Sommer hatte er meinem Mann noch so viel Stroh angeboten wie wir wollten, er selbst brauche es ja nicht mehr, seine Schweine habe er verkauft. Das lohnt sich nicht, das machen alles die Rumänen. Billiger.

Deswegen fühle ich mich jetzt auch berechtigt seine Ställe zu durchforsten. In die Halle einzudringen, wo seine Frau offenbar früher Flohmarkt gehalten hat. Auf den Heuboden zu klettern, wo das Licht in der Luft durch Strohpartikel gebrochen wird, so wie es sich gehört. Aber die Bienen summen anderswo.

In Gedankenlade lade ich alte Puppenstuben und Käseschränke in meinen Fahrradanhänger, lege Strohballen oben drauf und geistere weiter durch Prebens Ex-Scheune. Von seinen Ex-Schweinen sind nur noch die Futtertröge übrig, das restliche Inventar hat sich Finn mit den Jerseykühen schon unter den Nagel gerissen. Genau genommen gehört ihm auch der Schuppen hier, hat er doch Prebens Hof und Land übernommen. Aber ich nehme es NOCH genauer: Preben hat meinem Mann gesagt, wir sollen nur kommen, und uns etwas nehmen. Und deshalb gehört alles hier mir, und die Kirschbäume rufen: „Pflück mich, pflück mich!“ Das antike Mühlrad: „Dreh mich, dreh mich!“ Die Rharbarberpflanze: „Pfleg mich, pfleg mich!“ Die Scheune: „Benutz mich, benutz mich!“ Und die Kupferrohre: „Klau mich, klau mich!“

Zuerst verließ Prebens Frau den Hof und musste ihren Garten zurücklassen. Dann gingen Prebens Schweine, die Schweinearretieranlage, die nun verrostet im Stall steht, muss mal ein Vermögen gekostet haben. „Klauen, klauen, Klauen wollen wir klauen“, summe ich, ich will nicht wissen, was die armen Schweine in der Arretieranlage alles an Körperteilen verloren haben.

Preben hat es nix genutzt: Zum Schluss ging auch er. Wohin, weiß ich nicht. Seine Telefonnummer steht im Telefonbuch unter „Preben Rasmussen, Hofbesitzer“ und tutet nur noch das hohle Getute eines eingestellten Telefons.

Finns Telefon funktioniert noch, und Finn teilt meine Sichtweise die Besitzansprüche betreffend kein bisschen. „Klar können wir mal gemeinsam den Kram durchgucken“, sagt er, „aber ich glaub nicht dass du da was findest.“ Finn hat die Eingeweide des Hofes ausgekratzt. Finn tötet auch die männlichen Kälber. Finn ist total genervt von mir, der Hobby-Landwirtin. Finn hat am Montag vielleicht Zeit, vielleicht auch nicht, heute jedoch –auf keinen Fall.

Also fahre ich mit meinem Eimer da rauf. Kirschen klauen ist keine Straftat. Und alles, was sonst noch in meinen Anhänger springt, dient neuem Leben. Welches bald glücklich unter unserer Obhut grast.

Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen Hamburg und der dänischen Insel Møn; was sie dabei erlebt, steht an dieser Stelle. Einen Band mit ihren „Hamburger Szenen“ aus der taz hat der Verlag Michason & May veröffentlicht.