Eine Grosse Koalition ist besser als ein unregiertes Land
: Ergebnis von Eitelkeiten

Hoffentlich ist es nur Theaterdonner, was derzeit an Unmutsäußerungen über das bisherige Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zu hören ist. Wenn das Regierungsbündnis doch nicht zustande kommen sollte – und ausschließen möchte man ja gar nichts mehr – dann wäre das eine Katastrophe. Es bleibt gar nichts anderes übrig, als der großen Koalition von Herzen alles Gute zu wünschen.

Allerdings nicht deshalb, weil von ihr viel Gutes zu erwarten wäre. Im Gegenteil. Auch künftig werden vor allem diejenigen zur Kasse gebeten, die schon jetzt kaum wissen, wie sie über die Runden kommen sollen: Familien, Rentner, Arbeitslose und Geringverdiener. Wohin die Reise geht, zeigt sich an der Diskussion über die Reichensteuer. Wenn ein Ehepaar erst ab 500.000 Euro Jahreseinkommen – Einkommen, nicht etwa Vermögen! – als „reich“ gilt und dennoch umstritten ist, ob dieser Gruppe zusätzliche Belastungen zuzumuten sind, dann ist das schamlos. Und beleidigend für all diejenigen, die infolge einer Erhöhung der Mehrwertsteuer unter die Armutsgrenze rutschen.

Warum muss man dennoch hoffen, dass die große Koalition möglichst schnell ihre Arbeit aufnehmen kann? Weil Eitelkeiten, Leichtsinn, persönliche Interessen und mangelnde Professionalität der politischen Führungsspitzen dazu geführt haben, dass es tatsächlich keine Alternative mehr gibt. Nichts spricht dafür, dass Neuwahlen ein anderes Ergebnis erbrächten. Sie würden nur den quälenden Zustand verlängern, dass dieses Land nicht mehr regiert wird. Aber selbst eine schlechte Regierung ist besser als gar keine. Nicht bremst die Wirtschaft so sehr, wie unsichere Verhältnisse.

Es geht also derzeit nicht mehr um Inhalte, sondern ausschließlich um Handlungsfähigkeit. Ob ein solcher Zustand als Staatskrise zu bezeichnen ist, darüber lässt sich streiten. Ganz sicher bedeutet es den – zumindest vorübergehenden – Abschied von der Politik. Die Begeisterung über das Tempo, in dem die SPD angeblich ihre Führungskrise bewältigt hat, war groß. Nun müsse man den Blick fest nach vorn richten, lautete die Parole. Na ja. Das tun Lemminge auch. Wer einen Absturz vermeiden will, muss gelegentlich auch den zurückgelegten Weg gründlich analysieren. Bettina Gaus