Eine Fahrradwerkstatt, eine Gemeinschaftsküche, Besprechungsräume: Nach der Idee von Flüchtlingsaktivisten wäre die frühere Gerhart-Hauptmann-Schule ein Ort für alle - für Flüchtlinge und Berliner Foto: Illustr.: Juliane Pieper

Die Flüchtlings-Schule sucht ihre Aufgabe

Nach der großen Aufregung im letzten Sommer ist es still geworden um die von Flüchtlingen besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg. Doch der Schein trügt: Denn hinter verschlossenen Türen wird weiter um die Zukunft des Gebäudes gerungen. Zwei Vorhaben scheinen sich dabei unvereinbar gegenüberzustehen: Der Bezirk will in der ehemaligen Schule eine reguläre Flüchtlingsunterkunft mit 150 Plätzen einrichten – ein Lager, sagen die 24 verbliebenen Bewohner und stellen sich gegen diese Pläne. Sie wollen in der Schule bleiben, und sie wollen noch mehr: ein selbst verwaltetes Flüchtlingszentrum, einen Ort für die heimatlos gewordene Flüchtlingsbewegung.

Wie verhärtet sind die Fronten wirklich? Wie wahrscheinlich bleibt eine Räumung? Und was brauchen die Flüchtlinge ihrer Ansicht nach eigentlich? Die taz fragt nach. Außerdem haben wir Adam Bahar, einen der Schulbesetzer und seit Jahren in der Flüchtlingsbewegung Aktiven, gebeten, seine Vision für das Flüchtlingszentrum zu formulieren

Von Adam Bahar

Ich kämpfe dafür, dass die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule ein Ort für alle wird, ein Ort für die Flüchtlingsbewegung, aber auch für die Berliner, die uns kennenlernen wollen. Ein Ort, den wir Flüchtlinge selbst gestalten und verwalten, den wir gemeinsam organisieren und der für verschiedene Bedürfnisse offen ist.

In dem kleineren Gebäude vor dem Haus sollte es ein Informationszentrum geben, eine Anlaufstelle für alle Besucher. Und einen Raum, den verschiedene Gruppen für ihre Treffen nutzen können. Dort könnten wir auch Sprachkurse organisieren, nicht nur Deutschkurse für Flüchtlinge, sondern die Flüchtlinge könnten auch ihre eigenen Sprachen unterrichten oder von ihren Heimatländern erzählen.

Im Erdgeschoss könnten verschiedene Organisationen Büros einrichten, zum Beispiel die Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge oder das Büro für medizinische Flüchtlingshilfe. Dann wären die verschiedenen Organisationen an einem Ort und könnten sich besser austauschen. Für die Flüchtlinge wäre es so einfacher, Informationen und Hilfe zu bekommen.

Im Erdgeschoss sollte es auch eine Küche geben, in der Leute zusammen kochen können und Leute für wenig Geld oder umsonst Essen bekommen. Im ersten Stockwerk könnte unsere Ausstellung zum Ora­nienplatz, die ab August im Kreuzberg Museum zu sehen sein wird, untergebracht werden. Dort sollte es auch einen Raum für die Nachbarschaft geben, wo sie sich treffen und mit den Flüchtlingen zusammenarbeiten können.

Im zweiten Stock und in den Seitenflügeln sollte es auch Zimmer geben, in denen Leute dauerhaft wohnen können, mindestens die 40 Personen, die im letzten Sommer in der Schule geblieben sind. Aber es sollte auch Gästezimmer geben und einige Zimmer für Leute, die kurzfristig einen Platz zum Schlafen brauchen.

In der großen Aula im dritten Stock wäre der Platz für die ­Theaterprojekte, sie könnten dort proben und ihre Aufführungen veranstalten, und wir könnten dort Konzerte oder Filmvorführungen organisieren

Im Keller würden wir Werkstätten einrichten, zum Beispiel um Fahrräder zu reparieren. Es gibt schon Projekte, in denen Flüchtlinge handwerklich arbeiten, die könnten hier einziehen. Auf dem Hof könnte man Feste feiern, oder Sporttuniere veranstalten – wir könnten eine Basketball- und eine Fußballmannschaft gründen.

„Die Schule könnte ein Ort der Willkommenskultur werden, die doch angeblich auch die Politik will. Der Bezirk sollte uns zutrauen, dieses Gebäude selbst zu verwalten“

Adam Bahar, Flüchtlingsaktivist

So stelle ich mir diesen Ort vor, ich kann zwar nicht für alle sprechen, aber ich weiß, dass viele Aktivisten ähnliche Vorstellungen haben. Es ist auch nicht nur ein Traum, manche Teile davon hatten wir früher schon verwirklicht. Die Schule könnte ein Ort der Willkommenskultur werden, die doch angeblich auch die Politik will.

Der Bezirk sollte uns zutrauen, dieses Gebäude selbst zu verwalten. Wir organisieren uns jetzt schon so lange in der Bewegung, wir wissen, wie man mit Kon­flikten umgeht, wie man unterschiedliche Bedürfnisse zusam­menbringt. Wir könnten auch dieses Zentrum organisieren.

­Übersetzung: Malene Gürgen

Das Ringen um die Nutzung der Schule. Stimmen von Anwohnern SEITE 44, 45