Einblick (581)

Nine Budde, Künstlerin

Foto: privat

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat Sie/dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

NB:Angeregt hat mich die Video-Triologie der jungen Künstlerin Hanna Schaich im Rahmen der Ausstellung „State of Mind“ im alten Bethanien. Eine Arbeit, in der man verschwinden kann, abtauchten in unaufdringliche Bilder wie Kohlekeller, Pinguine im Zoo, Schlittschuhhalle, dazu im Off Hannas tiefe langsame Stimme, die innere Räume aufmacht und spricht. Man ist in einem poetischen Raum, der Distanz schafft – distanzierte Berührung, nah und intensiv, dunkel und klar. Vollkommen deprimiert hat mich die aktuelle Ausstellung in den Kunstwerken, „Fire and Forget“. Man nehme einen Begriff aus dem Militärjargon, der poetisch anmutet und wurstle ein vollkommen pathetisches und sinn­ent­leertes Gefasel darum, assoziiere den Begriff „Fire and Forget“ mit Nähe und Ferne, innen und außen, privat und öffentlich, Freund und Feind. Warum nicht auch noch Tom und Jerry? Gute Arbeiten werden im Ausstellungskontext jeder Kraft beraubt. Ein Freund meinte, er gehe seit zwei Jahren nicht mehr in die Kunstwerke. Recht hat er.

Welches Konzert oder welchen Klub können Sie/kannst du empfehlen?

Ich gehe leider nicht mehr auf Konzerte oder in Clubs. Bin ich zu alt? Vielleicht. Die Kunststudenten gehen immer noch gerne Sonntagnachmittags ins Berghain. Da scheint es Hitze, Drogen, Schweiß und realen Sex zu geben. Kann man dafür zu alt sein? Anscheinend ja.

Welche Zeitung/welches Magazin und welches Buch begleitet Sie/dich durch den Alltag?

Ich kaufe mir manchmal die Süddeutsche Zeitung, der Wissensteil ist immer spitze. In der Kantine meines Ateliers lese ich zum Mittagessen die taz oder die Berliner Zeitung – Letztere ist gut für die aktuellen Baustellenmeldungen in der Stadt, die sich in ihrem Wahnsinn treu bleiben. Bücher begleiten mich wirklich: Ich lese immer viele gleichzeitig, selten von A bis Z. Eines davon ist der hübsch gemachte Band „Musenküsse“ vom Verlag Kein & Aber. Darin hat der Autor Mason Curry eine Sammlung täglicher Rituale berühmter Künstler zusammengetragen. Die durchgetaktete Arbeitswut der meisten ist erschreckend. Einige Male musste ich dennoch lachen. Edith Sitwell zum Beispiel, einer der wenigen Frauen, die in dem Buch vorkommen, schrieb bevorzugt im Bett, meist ab 5.30 oder 6 Uhr. Zudem war sie der Meinung, „jede Frau sollte einen Tag pro Woche im Bett verbringen“, und wenn sie stark in die Arbeit vertieft war, blieb sie bis zum späten Nachmittag liegen, um dann zu verkünden: „Jetzt bin ich ungelogen so müde, dass ich mich erst mal eine Runde hinlegen muss.“

Was ist dein/Ihr nächstes Projekt?

Die Künstlerin und Professorin Else Gabriel sagt, es herrsche „Projekterities“ in der heutigen Kunstwelt. Recht hat sie. Also, weg mit den Projekten. Nichts tun. Liegen bleiben.

Zur Person

Nine Budde wurde 1975 in Freiburg i. Br. geboren und studierte Freie Kunst mit Schwerpunkt Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerischen Strategien an der Bauhaus-Universität Weimar und am Minneapolis College of Art and Design in Minnesota. Seit Ende der 90er Jahre arbeitet sie an ortsspezifischen und themenbezogenen Fotografien, Videos, Performances und Installationen. Sie war 2006/2007 mit dem MAK-Schindler-Stipendium in Los Angeles und 2012 als Villa-Romana-Preisträgerin in Florenz. Budde lehrt an der KH Weißensee, ist eine begnadete Witze-Erzählerin und hat einmal den schönen Satz gesagt: „In Berlin wohne ich, damit ich mir keine Gedanken machen muss, ob ich vielleicht nach Berlin ziehen sollte.“

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht Ihnen/dir am meisten Freude?

Ich bleibe bei der Proklamation des „Nichtstuns“. Das ist kein Gegenstand, aber ein sehr guter Zustand. Man muss üben, üben und noch mal üben. Funktioniert bei mir am besten im Liegen.