Berliner Szene
: Mobiltelefone

Je weniger Platz

Alle U-Bahnfahrer machen ständig mit ihren Handys rum

Wie immer bevor ich Kreuzberg verlasse, drucke ich mir bei Googlemaps einen detaillierten Reiseplan aus. Ich verfehle den angepeilten Zug der U8 knapp und muss Friedrichstraße noch ein bisschen warten, wodurch sich die Reise länger anfühlt. Ich bin mehr als ein Jahr nicht mehr auf dem Bahnsteig der Friedrichstraße gestanden. Die Stimmung ist gelöst. Es ist immer auch ein ­bisschen befreiend, unter Leuten auf dem Bahnsteig zu stehen. In der S-Bahn spielen zwei oder drei Leute mit ihren Mobiltelefonen, fünf Leute lesen echte Bücher, ein paar Zeitungsleser sind auch dabei.

Ich denke an das Gespräch, das wir neulich im Café Eule im Park am Gleisdreieck hatten. Es war noch heiß. Wir wollten zum Abschied ein Bier trinken. Ich war zum Tresen gegangen und ganz überrascht gewesen, dass Wolf Klein hinter dem Tresen stand. Vor einigen Jahren hatte der Künstler im U-Bahnhof Möckernstraße einen Blumenladen, in dem es Bilder von Blumen gab, die an Drahtstielen befestigt waren. Über seine Gespräche im Blumenladen, hatte er ein schönes Buch geschrieben. Nun hatte er nur Bier ohne Alkohol. Ich hatte ein Brötchen mit Leberkäse gegessen und M., die wie ich so gut wie nie mit der U-Bahn fährt, hatte behauptet, alle U-Bahnfahrer würden ständig mit ihren Handys rum machen und wie blöd das doch wäre.

Nun in der S-Bahn, gegen sechs, freue ich mich, dass die Handybenutzer in der Minderzahl sind und M. unrecht hat. Später auf der Rückfahrt, in der U-Bahn, hat M. aber wieder Recht. Etwa die Hälfte der Fahrgäste starrt auf ihr Smartphone. Nur einer liest ein E-Book. Viele scheinen schlecht gelaunt. Man fühlt sich beengt. Vielleicht hat die Handybenutzungsfrequenz vor allem mit Platz zu tun. Je weniger Platz die Leute haben, desto mehr flüchten sie zu ihren Freunden in’s Internet. Keine Ahnung. Detlef Kuhlbrodt