LeserInnenbriefe
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Streik muss überraschen

betr.: „Ein Angriff auf die Labour-Partei“, taz vom 17. 7. 15

Der Satz: „Bislang kann gestreikt werden, ohne dass die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder befragt wird“, ist schlicht falsch.

In Großbritannien sind die Gewerkschaften verpflichtet, eine schriftliche Urabstimmung durchzuführen, bei der alle Gewerkschaftsmitglieder per Post befragt werden müssen. Allein es beteiligen sich nicht immer alle an dieser Abstimmung, wie an anderen Wahlen/Abstimmungen auch. Deshalb soll jetzt festgelegt werden, dass mindestens die Hälfte aller Befragten auch teilgenommen haben muss, bevor eine Urabstimmung gültig ist – wie Ralf Sotscheck auf Seite 10 ja auch richtig schreibt. Vielleicht hättet ihr besser ihn, der weiß, um was es geht, den Kommentar schreiben lassen. Vermutlich hätte Ralf Sotscheck allerdings auch etwas weniger Verständnis für die Tories gehabt.

Nur nebenbei: In Deutschland müssen Gewerkschaften überhaupt keine Urabstimmung durchführen, es bleibt ihnen allein überlassen, ob und wie sie ihre Mitglieder vor einem Streik befragen. Und das ist auch gut so. Streiks müssen rasch und überraschend möglich sein.

HEINER DRIBBUSCH, Düsseldorf

Kassandra wurde nicht gehört

betr.: „USA. Sie wollen die Griechen nicht verlieren“,taz vom 15. 7. 15

Dieses Interview mit einem Direktor, also einem maßgeblichen Mitglied eines des vielen „Thinktanks“, Mark Weisbrot, verdient höchste Aufmerksamkeit. Nach der Aussage, dass das US-Interesse an Griechenland ein politisch-geostrategisches, also imperiales ist, kommt die Frage nach den wirtschaftlichen US-Interessen an der EU. Unumwunden die Antwort: „Es geht darum, ein neues Europa zu schaffen“, „die EU den USA ähnlicher zu machen“. An diesem Ziel, so lesen wir weiter, arbeiten die meisten (europäischen) Finanzminister, der IWF und die euro­päische Zentralbank. Sie alle arbeiten seit der Finanzkrise 2008 an Steuererhöhungen, Einschnitten bei Renten, Gesundheitsversorgung und Arbeitslosenunterstützung, dazu an der Schwächung der Gewerkschaften. Das sind Antworten aus amerikanischem Selbstverständnis heraus. Europa eine Dependance der USA? Dabei ist das alles so antiquiert wie das 1989 überwunden geglaubte Ost-West-Denken.

Europas Anziehungskraft beruht auf seinem Bemühen um sozialen Ausgleich! Inzwischen überholen China, Indien, Brasilien die USA, und alle zusammen merken nicht, dass die Kosten des spürbaren Klimawandels all diese Probleme in den Schatten stellen wird. Nein, Kassandra wurde nicht gehört – dazu bedarf es bitterer Not. KLAUS WARZECHA, Wiesbaden

Von der Macht korrumpiert

betr.: „Grüne Einheitsfront wackelt“, taz vom 16. 7. 15

Es ist ein veritabler Dolchstoß in den Rücken der Grünen-Basis. In den Fußgängerzonen der Republik, bei Freunden und Bekannten argumentieren integere Grüne mit Herzblut und heftig gegen TTIP. Und was machen einige Granden der Partei? Sie lassen sich schnellstens von der Macht korrumpieren. Grüne Grundsätze sind anscheinend nur noch den Träumern an der Basis wichtig, anderswo werden sie „Sachzwängen“ geopfert. Die Partei ist beliebig geworden, spätestens ab Landesebene gilt nur noch eines: Karriere machen. Die Moselbrücke wurde vor der Wahl heftig bekämpft, das Kohlekraftwerk in Hamburg ebenso, Waffenlieferungen – vor allem in Krisengebiete – waren ein striktes Tabu bei den Grünen.

Wenn das so weitergeht, wird die Partei zerlegt, große Teile der Basis sehen sich verraten. Als sich die Grünen konstituierten, wollten sie eine ehrlichere Politikalternative sein, eine, die nicht um jeden Preis Macht ausüben will, basisdemokratisch, für andere Lebensanschauungen wählbar, kurz: nicht angepasst. Heute ist davon nur an der Basis und nur bei ganz wenigen Mandatsträgern der „gehobenen“ Hierarchie noch etwas zu spüren. Soll die Partei bürgerlich werden? Aus Sachzwängen oder aus Machtgier?

LOTHAR WINKELHOCH, Gummersbach

Medienwirksamer Auftritt

betr.: „Gut leben, aber bitte nicht alle“, taz vom 17. 7. 15

Ausgesuchte Schüler, wurde vermeldet – und natürlich auch junge Menschen mit Migrationshintergrund mit Alibifunktion, da kann doch nichts schiefgehen. Da hat wohl der Mensch vom PR-Büro im Kanzleramt seine Hausaufgaben nicht gemacht oder möglicherweise geglaubt, die jungen Menschen versinken vor Ehr­erbietung in Höflichkeiten. Wer gedacht hat, dass Frau Merkel spontan eine menschlich Anwandlung erfassen könnte, hat wohl vergessen, dass diese Frau in Physik geglänzt hat. Oh – halt: „Sie hat gestreichelt“! Und Gnade vor Recht ergehen lassen, geht auch nicht. Was machen wir dann mit dem Rest der Asylsuchenden? Außerdem sind sogar Frau Merkel die Hände gebunden, wenn es um das Asylrecht geht.

Wie es aussieht, hat der medienwirksame Auftritt wenigstens für die Schülerin und ihre Familie etwas gebracht. Da sollte in einiger Zeit doch mal nachgesehen werden, was letztendlich passiert ist, liebe taz. SIBYLLA M. NACHBAUER, Erlangen