Asylpolitik

Bayern und Baden-Württemberg wollen Sonderlager für Flüchtlinge
aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten auf dem Balkan schaffen

Auf die
harte Tour

Roma Menschen aus Südosteuropa stellten in diesem Jahr mehr als ein Drittel aller Asylanträge in Deutschland. Die Innenminister wollen dem ein Ende machen. Das ist der Plan

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von Christian Jakob

Aus „unsicheren“ Staaten

Unterbringung: Im Regelfall werden Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Deutschland zuerst in sogenannten Erstaufnahmeeinrichtungen gebracht. Diese werden von den Bundesländern betrieben und haben oft viele hundert Plätze. Nach einigen Wochen werden die Asylsuchenden dann gleichmäßig über alle Kommunen verteilt. Während des Asylverfahrens leben sie in meist deutlich kleineren Wohnheimen, die oft privat betrieben und von den Kommunen bezahlt werden. Die Weiterverteilung soll für die SüdosteuropäerInnen in Zukunft abgeschafft werden. Sie sollen bis zur Abschiebung in Erstaufnahmelagern bleiben.

Versorgung: 20 Jahre bekamen Flüchtlinge deutlich reduzierte Sozialleistungen, 2012 monierte dies das Verfassungsgericht. Seit 2015 gilt ein neues Asylbewerberleistungsgesetz. Es sieht für die Dauer des Asylverfahrens Leistungen von 359 Euro im Monat vor. Kinder bekommen zwischen 217 und 287 Euro im Monat. Seit März 2015 dürfen die Leistungen mit Ausnahme der ersten Wochen nicht mehr als Lebensmittelgutscheine oder Essenspakete ausgegeben werden. Leben die Flüchtlinge nicht im Heim, gibt es einen Mietzuschuss. Medizinische Versorgung wird nur bei akuten oder schmerzhaften Erkrankungen gewährt.

Arbeit: Ohne Arbeitserlaubnis dürfen Flüchtlinge nicht arbeiten und keine Ausbildung machen. Für Asylsuchende und Geduldete ist die Arbeit in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts verboten. Danach können sie eine Arbeitserlaubnis bekommen, dürfen Jobs aber nur annehmen, wenn es keine „bevorrechtigten“ Interessenten, also Deutsche oder EU-Ausländer gibt. Nach 15 Monaten Aufenthalt dürfen Asylbewerber und Geduldete meist ohne diese Einschränkungen arbeiten. Mit diesem Zugeständnis hatte sich die Union die Zustimmung der Grünen zur Erweiterung der Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ erkauft.

Verfahren: Im ersten Halbjahr 2015 wurden Asylanträge im Bundesdurchschnitt laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach 5,3 Monaten entschieden. Im vergangenen Jahr dauerte das noch 7,1 Monate. Die Dauer variiert aber erheblich. Oft vergeht mehr als ein Jahr, bevor über einen Antrag entschieden ist. Für Menschen aus Syrien und dem Nordirak hingegen gibt es verkürzte Verfahren. Seit Inkrafttreten des Gesetzes über sichere Herkunftsländer können die Anträge von Menschen aus Serbien, Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina schneller bearbeitet und abgelehnt werden.

Abschiebungen:Für Abschiebungen sind im Regelfall die Bundesländer zuständig. 2014 wurden 10.884 Menschen aus Deutschland abgeschoben, nahezu die Hälfte aus Balkanstaaten, allein rund 2.200 stammten aus Serbien. Immer häufiger werden Flüchtlinge nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben, sondern in andere EU-Staaten zurückgebracht, über die sie nach Deutschland eingereist sind. Unter diesen sogenannten Dublin-Fällen sind auch regelmäßig Syrer. Knapp 100 Menschen aus dem Bürgerkriegsland wurden im vergangenen Jahr aus Deutschland abgeschoben.

Aus „sicheren“ Staaten

Unterbringung: Am 20. Juli beschloss die bayrische Landesregierung „zwei, möglichst grenznahe, Aufnahme-Einrichtungen nur für Asylbewerber mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit aus südosteuropäischen Ländern zu schaffen. Dort sollen „alle für eine schnelle Verfahrensabwicklung erforderlichen Behörden“ präsent sein – von der Ausländerbehörde bis zum Verwaltungsgericht. Die Flüchtlinge bleiben bis zur Abschiebung dort und werden nicht mehr in die Kommunen weiterverteilt. Am Dienstag beschloss Baden-Württemberg ähnliche Einrichtungen mit 11.000 Plätzen zu schaffen.

Versorgung: Bayern will das „Sachleistungsprinzip“ wieder einführen. Die BewohnerInnen der Lager sollen nur noch ein Taschengeld bekommen und ansonsten per Kantine versorgt werden. Diese Praxis war in Bayern erst im Februar durch das neue (Bundes-)Asylbewerberleistungsgesetz beendet worden. Finanzminister Markus Söder (CSU) will aber auch das Taschengeld streichen. Bayern hat dazu eine Bundesratsinitiative gestartet, die vorsieht, dass allen südosteuropäischen Flüchtlingen unterstellt werden darf, nur zum Zweck des Sozialleistungsbezug eingereist zu sein. Dann könnte auch das Taschengeld gestrichen werden.

Arbeit: Schon am 31. März hat das bayerische Innenministerium angeordnet, Asylbewerbern aus Südosteuropa „ab sofort grundsätzlich keine Beschäftigungserlaubnisse“ mehr zu erteilen. Schon erteilte Erlaubnisse können aus „grundsätzlichen migrationspolitischen Erwägungen“ entzogen werden, selbst für laufende Ausbildungen. So wolle es „deutlich machen, dass mit dem Stellen aussichtsloser Asylanträge nicht das Ziel einer Beschäftigung in Deutschland verfolgt werden kann“, so das Innenministerium. Ob Baden-Württemberg Ähnliches plant, konnte ein Sprecher des Integrationsministeriums am Dienstag nicht sagen.

Verfahren: In den Lagern sollen die Flüchtlinge aus Südosteuropa „innerhalb der drei ersten Tage“ ihren Asylantrag stellen. Gleichzeitig werden sie sofort über die „freiwillige Ausreise“ beraten und „zu jedem Zeitpunkt“ dabei unterstützt, so hat es die Landesregierung am 20. Juli beschlossen. Anhörung, Entscheidung und Zustellung der Entscheidung durch das Asyl-Bundesamt erfolgen „binnen zwei Wochen“. Gerichtliche Widersprüche werden ebenfalls innerhalb von zwei Wochen entschieden. Ob Baden-Württemberg ähnliche Regularien einführen will, ist unklar.

Abschiebung: Laut Beschluss des bayrischen Kabinetts aus der vergangenen Woche sollen Abschiebungen nach der endgültigen Ablehnung der Asylanträge durch das Asyl-Bundesamt oder ein Verwaltungsgericht „unmittelbar und kontinuierlich“ direkt aus der Einrichtung“ erfolgen. Ob in den Lagern für die südosteuropäischen Flüchtlinge auch Abschiebehaftplätze entstehen sollen, ist offen. Bereits im Mai hatte Bundesinnenministerer Thomas de Maizière (CDU) angekündigt, dass die Abschiebungen aus den Sonderlagern in die Balkanstaaten von der Bundespolizei zentral gesteuert und durchgeführt werden.