LeserInnenbriefe
:

taz.die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin

briefe@taz.de | www.taz.de/Zeitung

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Hintergründe, Analysen, Kontexte

betr.: „Explosion in Freital“, taz vom 27. 7. 15

Die Ereignisse wie jene in Freital abzubilden ist das eine. Das andere aber ist der noch wichtigere Versuch, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Formaten rassistischer Mobilisierung zwischen den frühen 1990er Jahren und heute herauszuarbeiten. Es gibt erschreckende Parallelen und gewichtige Unterschiede. Die taz lieferte damals investigative Recherchen und weitsichtige Analysen. Diese gilt es erneut zu lesen und für heute das zu liefern, was in all der Web-2.0-Aufgeregtheit zu kurz kommt: Hintergründe, Analysen, Kontexte. Die Lerneffekte könnten einschneidend sein! DAVID BEGRICH, Magdeburg

Erst gehätschelt, dann angegriffen

betr.: „Türkei setzt Luftangriffe fort“, taz vom 27. 7. 15

Es ist ein Kreuz mit der strategischen Geografie. Das ehedem Osmanische Reich ist da angesiedelt, wo Orient und Okzident zusammentreffen. Daher spielt die heutige Türkei eine Rolle für Ost- und Westinteressen. Das reizt politisch zum „Schaukeln“! Die westlichen Staaten, USA und EU, sind von dieser Gautscherei genervt. Zunächst wird der IS gehätschelt, dann mit Jets angegriffen. Der PKK wird der Waffenstillstand aufgekündigt. Der diktatorische Wahlverlierer Erdoğan verschmerzt diese Niederlage nicht. Und keiner weiß daher, ob der Zwischenfall mit dem IS nicht inszeniert war! Auf die Entwicklung in der Türkei reagiert Berlin mit der hilflosen Bitte um Mäßigung. Weshalb hob und hebt Kanzlerin Merkel nicht das Verbot für die PKK auf. Das wurde doch nur aus Opportunismus ausgesprochen; es ist ungerecht, ja beschämend! Denn die PKK ist der wirkungsvollste Gegner der IS-Terroisten. PETER FINCKH, Ulm

Herzlichen Glückwunsch

betr.: „Von links unten“, taz vom 25. 7. 15

Mit Freude habe ich gelesen, dass Gabriele Goettle den Johann-Heinrich-Merck-Peis erhalten hat. Dazu meinen herzlichen Glückwunsch. Ich lasse mir nämlich, seit ich die taz lese, keine ihrer wunderbaren „Geschichten“ entgehen.

ERIKA SCHÄBLER, Würzburg

Von der Bahn abgehängt

betr.: „Die Bahn geht auf Kundenfang“, taz vom 24. 7. 15

Bei wirklich ernsthaftem Interesse an Neukunden hätte die Deutsche Bahn AG die neue MyBahnCard 50 für nur 69 Euro in der 2. Klasse, die ein ganzes Jahr lang gültig ist, auch für nachweislich einkommensschwache Menschen ohne Altersbegrenzung eingeführt. Dazu gehören Bezieher staatlicher Grundsicherungsleistungen (Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung) ebenso wie Wohngeld- und Bafög-Bezieher (auch Meister-Bafög) sowie Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Denn dann hätte die Deutsche Bahn AG nämlich von echten Neukunden profitiert, für die der öffentliche Fernverkehr aus wirtschaftlichen Gründen bislang zumeist unerschwinglich ist und bei denen es sich somit im Regelfall nicht lediglich um „Umsteiger“ von Fernbussen, Flugzeugen oder Autos handelt.

Ähnlich wie beim ÖPNV, der in Regionen ohne Sozialticketangebot für einkommensschwache Menschen schon heute zumeist wirtschaftlich unerschwinglich ist, möchte die Deutsche Bahn AG diese Menschen anscheinend ebenfalls bewusst von ihren Angeboten fernhalten. Was beides im Ergebnis dazu führt, dass einkommensschwache Menschen bezüglich ihrer Mobilität endgültig gesellschaftlich abgehängt werden. Wodurch auch hier wieder zum Ausdruck kommt, dass die Armut eines Teils unserer Bevölkerung politisch gewollt ist. ELGIN FISCHBACH, Leimen

Ausführliche Würdigung

betr.: „20. Juli, Fortsetzung“, taz vom 24. 7. 15

Es ist sehr verdienstvoll, dass die taz dem Gedenken an den 20. Juli 1944 Raum gibt, vor allem, wenn nun erstmalig im Rahmen der Feier der Bundesregierung der linke, speziell der gewerkschaftliche Widerstand gewürdigt wird. Dass die Bildmedien mal wieder nur die ewig gleichen Bilder vom Rekrutengelöbnis zeigen und die bemerkenswerte, keineswegs „farblose“ (Autorin Gemma Pörzgen) Rede des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann ignorieren, ist zu bedauern. Frau Pörzgen hat leider bei der Rede wohl nicht richtig zugehört. Hoffmann war es gerade, der den von ihr erwähnten gewerkschaftlichen Widerständler Paul Wegmann, umgebracht in Bergen-Belsen, in seiner Rede ausführlich gewürdigt hat, und nicht nur Wilhelm Leuschner und Jakob Kaiser. Der 84-jährige Sohn Wegmanns bedankte sich nach der Rede sichtlich bewegt beim DGB-Vorsitzenden: „Nun hat mein Vater nach so viel Jahren endlich die ihm zukommende Grabrede erhalten.“ Auch der vermisste Bezug zu den heutigen Herausforderungen fehlte keineswegs, wenn Hoffmann Leuschners Bekenntnis zur „Einheit in der politischen Praxis unserer Gesellschaft“ vor dem Hintergrund des aktuellen Streits um die europäische Einheit hervorhob. EBERHARD SCHMIDT, Bremen