Kommentar von Christian JaKob über die Politik mit den Flüchtlingen
: Fatale Deals

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) soll vor einem „Kollaps“ des Aufnahmesystems gewarnt haben. Im sächsischen Freital legen Unbekannte eine Bombe unter das Auto eines Linken-Politikers, der sich für Flüchtlinge eingesetzt hat. Die Polizeigewerkschaft fordert angesichts immer neuer Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte eine Bannmeile um solche Einrichtungen. Die Kommunen müssen in diesem Jahr mit Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen von mehr als fünf Milliarden Euro rechnen.

Das ist nur eine Auswahl der wichtigsten Meldungen in Sachen Asylpolitik vom Montag dieser Woche. Das Thema beschäftigt den politischen Betrieb derzeit wie kaum ein zweites. Wie, so lautet die Frage, lässt sich den Flüchtlingen gerecht werden und die Fremdenfeindlichkeit eindämmen?

Der Bund hätte es am ehesten in der Hand, die Lage zu entspannen. Würde er endlich die Kosten für die Flüchtlingsaufnahme übernehmen, wäre das ein substanzieller Schritt zur Entlastung der Kommunen und zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Asylsuchenden. Und es würde den Rechten eines ihrer zentralen Argumente nehmen: dass die Ankunft der Flüchtlinge in den Kommunen auf Kosten der Menschen gehe, die schon da sind. Doch am Montag bekräftigte die Bundesregierung ihre Weigerung, Zusagen über mehr als ein Fünftel dieser Kosten zu machen – und verkauft das noch als Zugeständnis. Ursprünglich sollte es gar nur ein Zehntel sein.

Der SPD fällt in dieser Zeit nichts Besseres ein, als der Union einen fatalen Deal anzubieten: Sollte die Union einem längst überfälligen Einwanderungsgesetz zustimmen, wären die Sozialdemokraten dabei, weitere Länder zu „sicheren Herkunftsstaaten“ zu erklären. Damit tritt genau das ein, was viele 2014 befürchtet hatten, als Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina per Gesetz für „sicher“ erklärt wurden: Die Liste dieser Länder wird nach Gutdünken immer weiter verlängert. Der SPD-Vorschlag ist auch deshalb so überflüssig, weil erstens der Druck aus den Wirtschaftsverbänden, Arbeitskräftemigration zuzulassen, derzeit so groß ist, dass die Union ohnehin an einem Zuwanderungsgesetz nicht vorbeikommt. Und zweitens hat der CDU-Parteivorstand selbst sich jüngst für ein solches Gesetz ausgesprochen.

Länder und Kommunen bleiben derweil weitgehend auf sich allein gestellt. Auf einem „Flüchtlingsgipfel“ am Montag beriet die Landesregierung in Stuttgart ihre neue Strategie in Sachen Asyl. Das Ergebnis ist von den Vorstellungen der Union kaum zu unterscheiden.

Baden-Württemberg will die Erstaufnahmeeinrichtungen ausbauen und Flüchtlinge ohne Aussicht auf ein Bleiberecht dann nicht mehr auf die Kommunen verteilen. Das entspricht genau dem, was das Bundesinnenministerium im Frühjahr als Devise ausgegeben hatte, um die Zahl der ­Roma-Flüchtlinge zu drücken. Diese sollen direkt aus den Erstaufnahmeeinrichtungen heraus abgeschoben werden.

Bislang hatte nur Bayern angekündigt, hierfür eigene Aufnahmezentren zu schaffen, was – völlig zu Recht – als „Sonderlager für Roma“ kritisiert wurde. Nun also will auch das grün-geführte Baden-Württemberg das stigmatisierende Modell aufgreifen und ein Zwei-Klassen-Asylrecht mittragen. Denn die neuen Erstaufnahmeeinrichtungen sind nicht bloß andere Gebäude. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen dort gesonderte Verfahren zu gesonderten – schlechteren – Bedingungen stattfinden.

Auch dass Kretschmann fordert, abgelehnte Asylbewerber, die sich „ihrer Rückführung entziehen“, müssten mit „Leistungskürzungen und Beschäftigungsverboten belegt werden“, ist die typische Sprache schwarzer Innen­minister. Was Kretschmann da moniert, ist keine Lücke in der – vermeintlich sowieso laschen – Flüchtlingspolitik: Es ist seit Langem Standard. Dazu passt dann, dass Kretschmann ankündigt, Abschiebungen künftig „konsequenter“ anzugehen – als habe sein Land bislang aus humanitären Erwägungen heraus bei Abschiebungen besondere Zurückhaltung geübt. Das Gegen­teil ist der Fall: Vor allem was Balkan-Abschiebungen angeht, hat sich das Bundesland hervorgetan. Wenn Kretschmann trotzdem so redet, suggeriert er mit Absicht, den Flüchtlingen gehe es hier noch zu gut – und dürfte die militanten Flüchtlingsfeinde in ihrer Überzeugung bestärken.

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