Europas Krise

Zack. Bumm. Crash. Beim Streit über Griechenland geht es in Brüssel hoch her. Und Wolfgang Schäuble packt olle Kamellen auf den Tisch

Bis einer heult

Diplomatie EU-Sondergipfel abgesagt, Frankreich weiterhin für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone, Finnen knallhart

Frankreichs Finanzminister Michel Sapin und Wolfgang Schäuble am Sonntag in Brüssel Foto: Olivier Hoslet/dpa

aus Brüssel Eric Bonse

Der Streit über das Schicksal Griechenlands hat die EU in eine tiefe Krise gestürzt. Deutschland provozierte seine Partner bei mehreren Krisengipfeln der Eurogruppe am Wochenende mit der Forderung nach einem befristeten „Grexit“ und nach Einrichtung einer Treuhand-Anstalt für Athen. Finnland drohte, jeden möglichen Deal platzen zu lassen. Als möglicher „Kompromiss“ zeichneten sich neue harte Sparauflagen und ein weiteres Ultimatum an Athen ab.

Der Streit war so heftig, dass ein für Sonntagabend geplanter EU-Sondergipfel abgeblasen werden musste. Stattdessen rangen die Staats- und Regierungschefs der 19 Euroländer, darunter Kanzlerin Angela Merkel (CDU), um eine Lösung. Eigentlich sollte es einen endgültigen, einstimmigen Beschluss geben, um die Griechenland-Krise ein für alle Mal zu beenden. Stattdessen taten sich neue tiefe Gräben in der Eurozone selbst auf.

Im Mittelpunkt stand Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). In der Nacht zu Samstag geriet sich dieser mit dem Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, in die Haare. „Ich bin doch nicht blöd“, soll Schäuble gesagt haben, berichten EU-Diplomaten. Daraufhin habe Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem die Sitzung unterbrochen. Zuvor hatte Schäuble mit einem Diskussionspapier zu Griechenland provoziert.

In dem „Non Paper“ (siehe links), das offenbar mit Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) abgestimmt war, schlägt Schäuble zwei Optionen vor: Entweder solle sich Griechenland zu noch härteren Sparmaßnahmen verpflichten und einen Teil seines Staatsvermögens – genannt werden 50 Milliarden Euro – einem Treuhandfonds in Luxemburg überstellen. Alternativ müsse das Land für mindestens fünf Jahre aus dem Euro austreten und seine Schulden umstrukturieren. Dieses Papier lag zwar nicht offiziell auf dem Verhandlungstisch, war aber vorab in Brüssel verteilt worden. Schäuble hat seine Forderungen offenbar mit einigen Hardlinern der Eurozone abgesprochen.

Das deutsche Vorgehen löste heftige Reaktionen aus. „Genug ist genug“, warnte Italiens Regierungschef Matteo Renzi. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte der Süddeutschen Zeitung: „Wenn Deutschland es auf einen Grexit anlegt, provoziert es einen tiefgreifenden Konflikt mit Frankreich. Das wäre eine Katastrophe für Europa.“

Frankreich setzt sich massiv für einen Verbleib Griechenlands im Euro ein. Die griechische Vorlage sei seriös und glaubwürdig, sagte Frankreichs Staatschef François Hollande. Auch die Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF sah im griechischen Reformprogramm eine gute Grundlage für Verhandlungen.

Doch Schäuble setzte sich über alle hinweg. Das Urteil der Troika lehnte er ebenso ab wie die Forderung Griechenlands nach einem Schuldenschnitt. Diese sei mit EU-Recht nicht vereinbar, behauptet er. Wieso eine „Auszeit“ aus dem Euro EU-konform sein soll, ließ Schäuble offen. Die Verträge sehen weder einen zeitweisen noch einen kompletten Austritt vor

Auf schwachen Füßen steht auch die Drohung Finnlands, einen möglichen Milliarden-Deal mit Griechenland platzen zu lassen. Zunächst geht es nämlich ohnehin nur um den Start von Verhandlungen über mögliche Finanzspritzen (die Rede ist von 80 Milliarden Euro) aus dem Euro-Rettungsfonds ESM. Finnland hat im ESM aber nicht genügend Stimmrechte, um eine Zustimmung im Alleingang zu stoppen.

Im Bunde mit Deutschland können die Finnen und andere Hardliner jedoch knallharte Bedingungen stellen. Dies zeichnete sich am Sonntag nach langen Verhandlungen auch ab. So soll sich Athen verpflichten, den so genannten Primärüberschuss im Staatsbudget bis 2018 auf 3,5 Prozent hochzuschrauben. Dies setzt neue harte Sparmaßnahmen voraus. Zudem wird eine weitere neoliberale Reform des Arbeitsmarktes gefordert. Sie würde Tarifverträge aushebeln und Massenentlassungen ermöglichen.

Begründet wurden die Forderungen mit mangelndem Vertrauen. Premier Alexis Tsipras hatte nach dem Referendum eine Kehrtwende hingelegt. Tsipras erklärte sich am Sonntag zu weiteren Kompromissen bereit. Merkel drohte dagegen, eine Einigung um jeden Preis werde es nicht geben.

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