Theodor Storms Weihnachtsbaum

KULTURGESCHICHTE Aus ihrer Privatsammlung hat Alix Paulsen das Husumer „Weihnachtshaus“ gemacht. Da stehen sowohl Theodor Storms Weihnachtsbaum als auch Bomben- und Sonnenrad-Backformen der beiden Weltkriege

Die Nazis erfanden einen ideologischen Adventskalender

VON PETRA SCHELLEN

Ja, sagt Alix Paulsen, von den großen hölzernen Schwebe-Engeln habe sie sich schwer trennen können. „Die waren mir ans Herz gewachsen. Ich habe sie ja jeden Tag gesehen.“ In ihrer privaten Wohnung nämlich, die voll davon war – und voll von dem, was sie in den letzten 26 Jahren gesammelt hat: Weihnachtsdekorationen, Christbaumschmuck, Backformen, Adventskalender von 1850 bis in die 1960er Jahre.

Dabei hatte Paulsen, die das alles seit einem Jahr im Husumer „Weihnachtshaus“-Museum ausstellt, ursprünglich nur eine Ersatzfigur für den alten Weihnachtsleuchter kaufen wollen. Aber dann ergriff das Sammler-Gen Besitz von ihr. Sie suchte und fand immer mehr Weihnachtliches, begann sich intensiver zu interessieren: für die Geschichte hinter den Dingen, für Herstellung und Vermarktung – und vor allem: für erzgebirgische Weihnachtskunst. Den dortigen Pyramiden, Nussknackern, Engeln und Krippen ist eins der beiden Geschosse der Ausstellung gewidmet. Dort hängen auch die erwähnten Schwebe-Engel, die vordem Alix Paulsens Wohnzimmer zierten.

Das ganze Jahr über kann man all dies besichtigen, und das täten die Leute auch, sagt Paulsen. Zum Beispiel den à la Theodor Storm geschmückten Weihnachtsbaum mit seinen massiven, noch aus Glasklumpen gefertigten Kugeln. Vor den großen Schwebe-Engeln zuckten hiesige Besucher allerdings oft ein bisschen zurück. Paulsen versteht das: „Die sind in Norddeutschland ja nicht so bekannt.“

Woher sie selbst sie kennt? Kunststück: Ihre Familie stammt aus Sachsen, ein Teil der Familie sogar explizit aus dem Erzgebirge. Und auch wenn Paulsen in Kiel geboren ist, waren die Weihnachtsbräuche ihrer Kindheit nie rein friesisch: Natürlich, sagt sie, habe da der norddeutsche Adventskranz gehangen. „Aber auf dem Tisch stand der erzgebirgische Tischleuchter.“

Wobei sie die friesischen und erzgebirgischen Bräuche gar nicht direkt vergleichen mag: „Natürlich“, sagt sie, „gab es sowohl im Friesischen als auch im Erzgebirge eine gewisse Kargheit. Der Föhrer Bogen mit dem typischen Gestaltengebäck ist ja quasi parallel zum Weihnachtsbaum entstanden – einfach, weil es dort keinen Wald gab.“ Den Brauch aber, mit Nachbarn zusammen Schwebe-Engel und anderes zu basteln, wenn man im Winter eingeschneit und von der Welt getrennt war – den habe es nur im Erzgebirge gegeben. „Dort gab es eine reiche Volkskunst: Engel- und Bergmann-Figuren, die Familien über Generationen hinweg gefertigt haben.“

Erst die Firma Wendt & Kühn habe das Ganze Anfang des 20. Jahrhunderts professionalisiert und die inzwischen bundesweit bekannten Erzgebirgs-Figuren in Serie gefertigt. Die volkstümlichen Schwebe-Engel aber wurden nicht überregional vertrieben. „Die gibt es nur im Erzgebirge“, sagt Alix Paulsen. Deshalb sind sie hier im Norden so rar. Eher zufällig also, der Erzgebirgs-Fokus, der Wurzeln wegen.

Kein Zufall aber, dass das Haus ganzjährig geöffnet ist. Denn letztlich präsentiere sich dort, sagt Paulsen, „eine kleine Kulturgeschichte“. Während des Ersten Weltkriegs etwa habe es Backformen in Bomben-Form gegeben, außerdem kleine Soldaten und Pickelhauben für den Weihnachtsbaum. Und während des Dritten Reichs „wollte man die christlichen Symbole durch Sonnenräder und Runen ersetzen“, sagt Paulsen. Die buk man dann oder hing sie an den Weihnachtsbaum. „Wohl gemerkt“, sagt Paulsen: „Solche Dinge wurden angeboten. Das heißt nicht, dass sie in jedem Haushalt gehangen haben.“ Auch einen offiziellen Adventskalender haben die Nazis herausgegeben: eine Mischung aus Geschichten und Bastelanleitungen mit Frontlinien und Vätern in Uniformen drauf.

Andere Exponate spiegeln die mit dem Wohlstand wachsenden Bedürfnisse der Kinder: Während des Zweiten Weltkriegs und kurz danach hing Holzspielzeug des Winterhilfswerks an den Bäumen, Wunschzettel handelten von festen Schuhen und langen Hosen. In den 1960ern ging es dann schon um College-Mappen und Ähnliches.

Als kultur- und zeitkritische Ausstellung mit wissenschaftlichem Anspruch versteht sich das Husumer Weihnachtshaus aber nicht. Natürlich, sagt Paulsen, seien die Exponate etwa aus der Nazi-Zeit sehr ausführlich beschriftet. „Wir weisen darauf hin, dass diese eine schleichende Entwicklung war, und dass man schon bei Kleinigkeiten genau hinschauen muss.“

www.weihnachtshaus.info