LeserInnenbriefe
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Der arme Marx

betr.: „Was würde Marx sagen?“, taz vom 10. 7. 15

Nun muss der arme Marx auch noch für die dümmste Häme gegen Tsipras herhalten. Jan Feddersen schlüpft in die falschen Federn eines Marxisten. Ob Tsipras marxistisch ist, was soll’s, seine Politik und seine Forderungen sind es sicher nicht. Sie sind gemäßigt, aber gegen den zerstörerischen Sparkurs, der keine Luft für Reformen lässt. Marx hat eine „Kritik der politischen Ökonomie“ geschrieben und keine marxistischen ökonomischen Rezepte und schon gar nicht die der sogenannten Gläubiger als unumstößliche Wahrheiten Herrn Tsipras vorgehalten. Und er hätte sicher kein geradezu idyllisches Bild der sozialen Absichten der EU-Parteien , „Integration – mittels ökonomischer Niveauanhebung“ gezeichnet. Bei Jan Feddersen ging „das Gros der Milliarden (…) in die klientelistisch gesinnte Versorgung der Armen“. Wenn Klientel versorgt wurde, dann von den Vorgängerregierungen, und auch nicht durch das Gros der Milliarden, das Banken und Rüstungskonzerne erhielten. Und schon gar nicht an die Armen oder die Klientel von Herrn Tsipras. Das behauptet ja nicht einmal Herr Schäuble, der Tsipras keine Chance geben will. Und dann ein „modernes linkes Programm“ und am Schluss des Artikels wieder „mit Marx nur dies: Volksökonomischer Wohlstand ist ohne Kapitalismus nicht zu haben.“

BURKHART BRAUNBEHRENS, Ebertsheim

Schlechtes Kabarett

betr.: „Was würde Marx sagen?“, taz vom 10. 7. 15

Auf Seite 2 der taz vom 10. 7. erfährt man, dass der IWF im Juni eine Studie vorgelegt habe, wonach Griechenland einen Haircut benötige sowie zusätzliche Hilfen von ca. 50 Milliarden Euro, um wirtschaftlich zu gesunden. Man erfährt weiter, dass die EU versucht habe, die Veröffentlichung dieser Studie zu verhindern, weil sie geeignet sei, die griechische Argumentation zu stützen Diese Nachricht gibt einen Hinweis darauf, gegen welches Ausmaß an ideologischer Verbohrtheit, wirtschaftspolitischer Inkompetenz und makroökonomischer Unbedarftheit aufseiten der EU Varoufakis zu kämpfen hatte.

Auf Seite 14 der taz vom selben Tag analysiert Jan Feddersen die Lage und kommt zu folgenden Ergebnissen: Varoufakis und Tsipras wollen bloß Alimentierung. Und Varoufakis hat von der sozialen EU sowieso keine Ahnung. Die Versorgung der Armen sei nicht wichtig. Konsum sei schließlich kein „Treiber“. Das wusste schon Karl Marx. Wäre er noch am Leben, würde er Syriza was erzählen: Schulden seien umzuverteilen, um „operationsfähig“ zu werden. Die daraus sich ergebende „Operationalität müsste genutzt werden durch die Erhöhung des Rentenein­stiegs­alters“.

Ein genialer Plan. Dass die Syriza-Leute darauf nicht gekommen sind, liegt vermutlich daran, dass sie eine weitere zentrale Marx’sche Erkenntnis nicht verstanden haben. Der „volksökonomische Wohlstand“(!) könne nur im Kapitalismus erlangt werden. Jan Feddersens Beitrag kann wahlweise als schlechtes Kabarett gelesen werden oder als missglückte Aufmunterung für Sigmar Gabriel und andere Agenda-Loser, die sich mittlerweile zu veritablen Syriza-Hassern fortentwickelt haben.

BILL RÄTHER, Kellinghusen

Hüte an die Jungs

betr.: „Missbraucht? Dumm gelaufen“, taz vom 8. 7. 15

Die Schule will große T-Shirts an betroffene Schülerinnen verteilen? Ich denke, die Jungs werden den Anblick von Hotpants schon verkraften, genauso wie sie enge Pullover und Hosen, kurze Röcke und knappe Blusen, die sonst auch übers Jahr getragen werden, verkraften.

Ansonsten könnten ja auch mal entsprechende Hüte an Jungs ausgeteilt werden, die seitlich so weit nach unten gezogene Krempen haben, dass der Blick nach rechts und links versperrt ist. Da würden dann alle merken, wie absurd das ist, und ein Aufschrei über eine solche Zumutung würde die Schule erschüttern.

MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Erbschaften höher besteuern

betr.: „Griechische Verhältnisse“, taz vom 8. 7. 15

Leider hat der Finanzminister die Gelegenheit versäumt, das Erben insgesamt gerechter zu gestalten, oder: Die mächtigen Lobbyisten der vermögenden Schichten haben wieder mal den Erfolg davongetragen. Dabei hatte die Industrieländerorganisation OECD schon länger empfohlen, nicht nur Erbschaften, sondern auch Vermögen höher zu besteuern. Leider hat es das Sondervotum von drei Richtern des Bundesverfassungsgerichts nicht in die Begründung des Gesetzes zur Regulierung des Erbschaftsteuergesetzes geschafft, dass der Sozialstaat den „Ausgleich sich sonst verfestigender Ungleichheit“ fordere. Schließlich sind die vermögenden Schichten durch die Steuerpolitik der vergangenen zwanzig Jahre überproportional entlastet worden und haben darüber hinaus von den staatlichen Interventionen im Zuge der Finanzkrise besonders profitiert.

Durch eine Erhöhung der Erbschaftsteuer könnte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes eher erhalten werden. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel