Berlinmusik

Clubmusik mal anders

Conrad Schnitzler hat ein musikalisches Vermächtnis hinterlassen, das erst so langsam erschlossen wird. Sein Wirken als Mitglied der Berliner Klangwerker Kluster, die Mitgründung des Berliner Zodiac-Clubs und sein unübersichtliches Soloschaffen sind dabei nur der sichtbare Teil dieses produktiven Wütens. Über Jahre hinweg hat er zudem ein riesiges Klang­archiv mit Synthesizer-Tonbandschnipseln erzeugt, die er bei Konzerten miteinander verschaltete.

Seit Schnitzlers Tod im Jahr 2011 dient diese Library Music der besonderen Art jetzt als Material für lebende Künstler, die daraus ihren eigenen Schnitzler zusammenschneiden. Oder, wie im Fall von Kurt Dahlke alias Pyrolator, einen Dialog zwischen Diesseits und Jenseits führen.

Dahlke begegnet Schnitzler durchaus auf Augenhöhe, hat er doch selbst die Musik seit den späten Siebzigern als Synthesizer-Pionier mitgeprägt, ob solo als Pyrolator, mit den Neue-Deutsche-Welle-Dadaisten von Der Plan oder als Keyboarder der Fehlfarben. Da ist es nur konsequent, dass Dahlke nicht einfach die Bänder zu neuen Stücken gefügt, sondern auch eigene Klänge hinzugetan hat. Ihm kam es darauf an, neben dem versponnenen Tüftler Schnitzler ebenso den verhinderten Techno-Produzenten in Erscheinung treten zu lassen. Was ihm gelungen ist, ohne es allzu eindeutig zu machen.

Mit Clubmusik hat auch das neue Album des Wahlberliners Nils Frahm zu tun, wenn auch auf weniger direkte Weise. Seine „Music for the Motion Picture Victoria“ nimmt die Bilder einer Clubnacht als Vorlage, setzt aber bewusst einen Kontrast dazu, in dem Frahms verhaltene Klaviertöne von wenigen Instrumenten – Bratsche, Cello und Gitarre – zu einer stillen impressionistischen Kammermusik verdichtet werden.

Frahm verdoppelt die Clubmusik nicht, er hat sich vielmehr von der Struktur des Films inspirieren lassen, der in einer Einstellung gefilmt ist. In ähnlicher Weise bestehen auch seine Stücke aus ineinandergreifenden Mustern, die sich wie von selbst weiterbewegen. Das kann man als vorbildliche Zurücknahme begreifen, die zugleich auf das andere Medium verweist. Für sich genommen eine stille, feine Sache. Und für alle, denen der Beat fehlt, gibt es zur Einstimmung noch DJ Kozes knurpselige House-Nummer „Burn With Me“ als „Victoria Edit“. Tim Caspar Boehme

Conrad Schnitzler & Pyrolator: „Con-Struct“ (Bureau B/Indigo)

Nils Frahm: „Music for the Motion Picture Victoria“ (Erased Tapes/Indigo)