BETTINA GAUS POLITIK VON OBEN
: Das Gute im Beamten

Die Beamten sind neutral. Theoretisch. Was die Anweisung in einer Kommunalverwaltung mit der Aufklärung des Bombenangriffs bei Kundus zu tun hat

Die folgende Geschichte muss anonymisiert werden. Beamte dürfen ja nicht einfach ohne Genehmigung mit der Presse reden. Wenn ihr Ärger groß genug ist, tun sie es manchmal aber doch. So auch eine Frau, 49 Jahre alt, die in einer kommunalen Verwaltung kürzlich einen neuen Aufgabenbereich übernommen hat. Dazu gehört, dass sie Tischvorlagen für den zuständigen Stadtrat erarbeitet. Der so etwas ist wie ein Minister im Kleinformat.

Sie müsse natürlich genau darauf achten, dass diese Vorlagen an den politischen Zielen des Stadtrats ausgerichtet seien, erläuterte ihr beamteter Chef im Einführungsgespräch. Schließlich sollten sie Argumentationshilfen sein und dem Stadtrat die Arbeit nicht zusätzlich erschweren. Seine neue Mitarbeiterin erzählt, dass ihr Vorgesetzter ganz ruhig und entspannt gewesen sei, als er mal eben Kleinholz aus der tragenden Säule des Berufsbeamtentums machte: der Neutralitätspflicht, also dem Gebot der unparteiischen Amtsführung.

Dieses Gebot ist einer der wenigen Grundsätze des Berufsbeamtentums, der eine Anforderung an die Betroffenen darstellt. Viele andere Grundsätze sind Privilegien, die gegenüber dem Arbeitgeber eingefordert werden können. So das Recht auf eine Anstellung auf Lebenszeit, auf eine angemessene Versorgung in den meisten Lebenslagen und auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. All das wird garantiert, damit der Beamtenapparat sich nur dem Staat und keiner einzelnen Partei verpflichtet fühlt. Weimar soll sich nicht wiederholen. Nette Idee. Ein bisschen altmodisch vielleicht.

Ihr Vorgesetzter habe vermutlich gar nicht gemerkt, was er eigentlich sagte, meint die 49-jährige Kommunalbeamtin. Ihm sei diese Haltung offenbar schon in Fleisch und Blut übergegangen. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde muss der Beamte nicht fürchten. Seine neue Mitarbeiterin glaubt, den Rest ihrer Laufbahn in einer fensterlosen Abstellkammer zubringen zu müssen, wenn sie sich zu einem so drastischen Schritt entschlösse. Den Teufel wird sie tun.

Ein bedauerlicher Einzelfall? Die Ausnahme von der Regel? Na, gewiss doch. Man möchte niemandem den Glauben an das Gute im Beamten und im Politiker rauben. Aber wenn das ein Einzelfall wäre, dann würden nicht bei jedem Regierungswechsel jene Staatsdiener still in sich hineinglucksen, die das – plötzlich – richtige Parteibuch haben. Das mag auch sein Gutes haben. Volksvertreter müssten nur endlich davon überzeugt werden, das sie keine Angst vor dem Amtseid ihrer Beamten zu haben brauchen. Dann würden sie irgendwann vielleicht doch darauf verzichten, Gesetzesvorlagen von bezahlten Lobbyisten erarbeiten zu lassen. So ließe sich Geld sparen. Das ja vielleicht – jede Reform kostet Geld – in den Abbau von Privilegien des Berufsbeamtentums gesteckt werden könnte.

Nein, all das ist kein Plädoyer für die Abschaffung dieses Standes. Nur ein Appell an dessen Berufsehre und – hilfsweise – ein Ruf nach Überprüfung der Standards. Die ja sogar gelegentlich im Interesse von Politikern liegen mögen. Sollte es sich erweisen, dass der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung oder zumindest Kanzlerin Angela Merkel tatsächlich nicht vollständig über Umstände und Folgen des fatalen Luftangriffs von Kundus informiert waren: Ob es daran liegen könnte, dass ihre Tischvorlagen an den politischen Zielen der beiden im Wahlkampf ausgerichtet waren?

Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz Foto: A. Losier