Ein Dorf verschenkt sein Bauland

Köder Inmitten von Feldern liegt das Dorf Ottenstein im Landkreis Holzminden am Rande Niedersachsens. Wer in Ottenstein bauen will, muss für das Grundstück nichts bezahlen. Die Gemeinde verspricht es jungen Familien gratis

Eine grandiose Fernsicht, herrliche Ruhe, ringsum Natur. „Es ist wirklich schön in Ottenstein“, sagt ein Beamter aus der 20 Autominuten entfernten Kreisstadt Holzminden. Dort zu wohnen, könne er sich trotzdem nicht vorstellen. Es sei „zu abgelegen“.

Bis zur nächsten Autobahn fährt man fast eine Stunde. Weil er fürchtet, dass die jungen Leute im Dorf ähnlich denken könnten und aus dem Weserbergland wegziehen, will der Gemeinderat mit einer ungewöhnlichen Maßnahme gegensteuern: Junge Familien, die in Ottenstein bauen wollen, bekommen das Bauland geschenkt.

„800 bis 1.000 Quadratmeter groß sind die Grundstücke“, sagt Bürgermeister Manfred Weiner (CDU). „Beste Lage mit herrlicher Rundumsicht. Man kann bis zum Solling gucken.“ In den anderen Richtungen seien Ith, Vogler und Deister zu sehen.

In der Region seien schon früher hin und wieder vergünstigte Baugrundstücke angeboten worden, sagt Marie-Luise Nigel vom Landkreis Holzminden. „Aber dass Baugrund verschenkt wird, das hatten wir noch nicht.“ Vergleichbares habe er von Mitgliedsgemeinden noch nicht gehört, sagt auch Thorsten Bullerdiek, der Sprecher des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes. Der Ansatz sei neu.

Die Idee mit den Gratis-Grundstücken habe er beim Blick in den Gemeindehaushalt bekommen, sagt der ehrenamtliche Bürgermeister. Im Gemeinderat hätten seine Mitstreiter zuerst zwar seltsam geguckt. Nach wenigen Minuten hätte er aber alle – quer durch die Parteien – überzeugt. Denn dass etwas passieren müsse in Ottenstein, sei jedem klar.

Derzeit hat der Ort zwar noch rund 950 Einwohner. Die Tendenz sei aber fallend, sagt der 71-Jährige. Und die Bevölkerungsprognose ist wie für viele andere Kommunen im ländlichen Südniedersachsen niederschmetternd. „Bis zum Jahr 2035 könnten wir ein Drittel der Einwohner verlieren.“ Das wolle man nicht zulassen.

Noch gibt es auf der idyllisch gelegenen Ottensteiner Hochebene westlich der Weser fast alles, was man zum Leben braucht, sagt Weiner. Arzt, Apotheke, ein paar Geschäfte, Handwerksbetriebe. Ein Frischkäsewerk bietet rund 300 Menschen Arbeit. Auch die Grundschule, die von der Samtgemeinde Bodenwerder-Polle eigentlich schon geschlossen werden sollte, ist vorerst gerettet. „Aber damit die Schule bleibt, brauchen wir mehr Kinder“, sagt der Bürgermeister.

Damit das etwas wird, will Ottenstein 10.000 Quadratmeter gemeindeeigenes Bauland verschenken. „Bei einem regulären Quadratmeterpreis von knapp 13 Euro wäre das ein Wert von mehr als 10.000 Euro pro Grundstück“, rechnet Weiner vor. Nur die Erschließung müssen die Interessenten selbst zahlen. Allerdings bekommt nicht jeder den Baugrund geschenkt. „Wir wollen am liebsten Leute unter 40 mit Kindern“, sagt der Bürgermeister. „Die müssen innerhalb von drei Jahren bauen – und Spekulanten haben keine Chance.“

Grundsätzlich sei es sinnvoller, Leerstände zu füllen als neu zu bauen, sagt Gemeindebund-Sprecher Bullerdiek. In Ottenstein stehen derzeit allerdings kaum Wohnungen leer, berichtet der Bürgermeister. Vielleicht haben sich auch deshalb schon wenige Tage nach ersten Medienberichten über die Aktion die ersten vier bauwilligen jungen Familien gemeldet. Ob das Vorhaben den demografischen Wandel zu stoppen vermag oder ob es nur ein PR-Gag sei, bleibe abzuwarten. (dpa)