LESERINNENBRIEFE
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„So wahr mir Frau Schavan helfe“

■ betr.: „Die Wissenschaftspolitik spielt auf Zeit“, taz vom 9. 12. 09

Angenommen, jeder Bachelor Student würde vereidigt werden: Auf was müsste er schwören? Das Bologna-„Manifest“ unter seiner linken Hand, die andere ehrfürchtig erhoben! Doch wie sollte der Schwur lauten? „Ich schwöre blinden Gehorsam gegenüber dem Bildungssystem. Ich werde keine eigenen Gedanken entwickeln oder mich über meine Seminarinhalte hinaus für andere Themen interessieren. Zudem werde ich meinen Studienverlaufsplan immer ehren und diesem folgen. Dies schwöre ich – so wahr mir Frau Schavan helfe!“ Ein ehrvoller Akt auf der geschichtsträchtigen Folie der Universität!

Doch auch hier gäbe es wieder einige unvernünftige junge Leute, die sich gegen diese Zeremonie wehrten. Solche, die dem Bildungssystem nicht die Treue schwüren, welche, die gegen den bildungselitären Strom schwämmen. Frische Abiturienten und Mitzwanziger, die sich erlaubten, den Landesoberen zu widersprechen und sich einer Vorgabe widersetzten, die von den klugen Bildungsbehörden dieser Republik unter größtem Zeitaufwand und leidenschaftlicher Hingabe geschaffen wurden! „Nestbeschmutzer“ stünde in der Anklageschrift! Derartigen Revoluzzern würde auf ewig der Zutritt zu den Wissenshochburgen verwehrt bleiben, denn solche braucht unser System nicht.

Wo endeten wir als Führungsnation, wenn die unzähligen Milliarden des Amtes für Bildung in jenes schwarze Loch flössen, welches sich „denkender Student“ nennt! Stipendien, Bafög und sonstige Unterstützungen sollten nur den Schäfchen zukommen, die sich brav in die Herde unserer Bildungshirten aus Berlin eingliederten und diesen in Reih und Glied im Gleichschritt folgten! Die wenigen schwarzen Schafe, die sich in die Hörsäle schmuggelten, kämen schon nach einem Semester auf die Schlachtbank, um den reibungslosen Ablauf in der Legebatterie Universität zu gewährleisten. Dann können deutsche Hochschulen in Ruhe formen, was die Wirtschaft später braucht! TERESA FESL, Gießen

Kein Happy End

■ betr.: „Kleine Revolution vonunten“, taz vom 10. 12. 09

Das Märchen von der Kita mit Bildungsauftrag geht weiter und leider hat es kein Happy End. Das Programm kommt vielleicht 100.000 bis 200.000 Kindern zugute. Der Rest wird mehr schlecht als recht aufbewahrt oder bekommt erst keinen Platz. Statt einige wenige zu motivieren, sollten lieber vernünftige Kitaangebote für alle Kinder gemacht werden. Der Bildungsauftrag kommt noch früh genug in der Grundschule, da muss man die ideologische Diskussion nicht auch noch in die Kitas tragen. STEPHAN KLÖCKNER, Hamburg

Noch zu retten?

■ betr.: „Wir Professoren müssennachsitzen“, taz vom 11. 12. 09

Ist Michael Daxner noch zu retten? Umschichten „von den Sozialbudgets zugunsten der Bildung“ ist sein Rezept. Wem will er es denn wegnehmen? Denen, die seit 40 Jahren durch Entwicklungen im Arbeitsprozess und die seitdem durchgesetzte neoliberale Steuerung abgehängt sind? Umgeschichtete, ehemals differenzierte untere Schichten, nun auf niedrigstem Niveau verschmolzen, mit verfestigter Aussichtslosigkeit. In Bochum mehr als die Hälfte davon mit Berufsabschluss, darunter viele Akademiker. NORBERT HERMANN, Bochum

Einfach Geld in die Hand nehmen

■ betr.: „Königinnen ohne Land“, taz vom 5. 12. 09

Der von der Autorin beschriebene Abbau des akademischen Mittelbaues durch die Abschaffung unbefristeter Stellen für Wissenschaftler unterhalb der Ebene der Professoren hat nicht nur Auswirkungen auf die beruflichen Perspektiven von Frauen im Wissenschaftssystem. Auch ein großer Teil der Probleme des Bologna-Prozesses hängt hiermit zusammen. Die aus der Verdichtung des Studiums resultierenden Probleme in den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen sind nur durch eine Erhöhung der Lehr- und Betreuungsintensität aufzufangen. Das hierfür zur Verfügung stehende, in Zeiten knapper Kassen reduzierte und befristet eingestellte Personal des akademischen Mittelbaues soll sich jedoch „nebenbei“ in einem hoch kompetitiven und ebenfalls zeitlich befristeten Prozess für eine Professur qualifizieren. Da jeder auch noch so begabte Nachwuchswissenschaftler ein begrenztes Zeitbudget hat, ist klar, wo die Prioritäten liegen. Publikationen, Drittmittel etc. zählen mehr als Engagement in der Lehre. Ein Ausweg könnte die Schaffung von Lehrprofessuren sein. Da das aus hochschulpolitischen Gründen nicht im erforderlichen Ausmaß erfolgen wird, bleibt nur die Schaffung von unbefristeten Stellen unterhalb der Professorenebene mit dem klassischen Tätigkeitsschwerpunkt in der Lehre, also die Reorganisation des Mittelbaues. Die „Einheit von Forschung und Lehre“, die auch gegen die Schaffung von Lehrprofessuren immer wieder ins Feld geführt wird, sollte dem nicht entgegenstehen. Wenn man nicht nur die Perspektiven von Frauen in der Wissenschaft, sondern auch die Qualität der Lehre insgesamt verbessern will, werden die zuständigen politischen Akteure einfach Geld in die Hand neben müssen. Bei der Stützung maroder Banken ging es doch auch! JÖRG MARIENHAGEN, Lappersdorf