Wolf: Wer schafft, darf bleiben

Der NRW-Innenminister will Altfallregelung für lange hier lebende Flüchtlinge voranbringen. Er reagiert damit auf zunehmende Proteste gegen Abschiebungen von völlig integrierten Menschen

VON SUSANNE GANNOTT

NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) will auf der nächsten Konferenz mit seinen Länderkollegen im Dezember eine Altfallregelung für Flüchtlinge vorschlagen. Der Erlass-Entwurf des Ministeriums sieht vor, dass Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge, die mehr als sechs Jahre ununterbrochen in Deutschland leben, selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen und sich ausreichend auf Deutsch verständigen können, einen dauerhaften Aufenthaltstitel bekommen können. Das erklärte Wolfs Pressesprecher Ludger Harmeier der taz auf Anfrage. „Die Voraussetzungen für ein Bleiberecht sind dieselben wie bei früheren Altfallregelungen.“ Im Ministerium gehe man davon aus, dass „einige tausend“ Menschen von der Initiative profitieren könnten.

Anlass für die Initiative seien die zunehmenden Reaktionen von „Politikern aller Parteien, Verbänden und Initiativen“ auf Abschiebungen, die in der Bevölkerung als ungerecht angesehen würden, so Harmeier. Als Beispiel nannte er den Fall einer kosovarischen Familie aus Freudenberg (Siegerland), deren Abschiebung vor rund 10 Tagen durch Proteste von Nachbarn und Freunde kurzfristig verhindert werden konnte. „Wir wollen denen ein Bleiberecht geben, die wirtschaftlich und sozial integriert sind und deren Kinder in der Regel hier geboren sind“, so Wolfs Sprecher. Es sei nicht richtig, Menschen in ein für sie zumeist fremdes Land abzuschieben, wenn sie sich hier eine eigene Existenz und ein soziales Umfeld aufgebaut hätten und von ihren Arbeitgebern gebraucht würden. Bislang gebe es jedoch „rechtlich keine Möglichkeit“, in solchen Fällen von einer Abschiebung abzusehen, begründete Harmeier die Notwendigkeit einer Altfallregelung.

Für den Flüchtlingslobbyisten Volker Maria Hügel, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl und Mitglied der NRW-Härtefallkommission, ist die Wolf-Initiative „grundsätzlich gut“. Er bedauere allerdings, dass die Bedingungen, unter denen Flüchtlinge ein Bleiberecht bekommen sollen, so schwer zu erfüllen seien. Vor allem die Forderung nach einem eigenen Einkommen sei für die meisten Flüchtlinge völlig illusorisch. Auch wegen des neuen Zuwanderungsgesetzes hätten in diesem Jahr viele ihre Arbeit verloren. Seitdem seien nämlich die Ausländerbehörden für die Arbeitserlaubnis zuständig und handelten meist nach der Devise: „Kein Pass, keine Arbeit“. Dadurch hätten passlose Flüchtlinge, insbesondere viele Roma aus Ex-Jugoslawien sowie Schwarzafrikaner, fast keine Chance, sich selbst ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Das jetzt für Altfälle angepeilte Bleiberecht werde daher vermutlich nur in wenigen Fällen tatsächlich greifen, befürchtet Hügel. Für die allermeisten Flüchtlinge, die wegen der strengen Erlasslage in NRW weiter mit einer so genannten Kettenduldung leben müssen und für die Flüchtlingsinitiativen und Kirchen seit Monaten eine Altfallregelung fordern, biete Wolfs Vorschlag daher keine Lösung. Für diese Fälle „wird es noch schwieriger sein, eine Altfallregelung zu bekommen, wenn diese geplante Regelung jetzt nicht greift“, vermutet der Pro-Asyl-Fachmann.

Im Innenministerium argumentiert man hingegen, ein Erlass, der für mehr Flüchtlinge gelten würde, habe in der Innenministerkonferenz keine Chance. „Das geht einigen Ländern sicher jetzt schon zu weit“, sagt Harmeier. Ob Wolfs Innenministerkollegen dem Vorschlag im Dezember zustimmen, sei jedenfalls völlig ungewiss. Absprachen oder einen Austausch mit anderen Landesregierungen habe es bislang nicht gegeben. Auf NRW-Ebene dagegen ist der Wolf-Vorstoß laut Harmeier abgesprochen, NRW-Generationenminister Armin Laschet CDU) sei eingeweiht. „Das ist Konsens in der Landesregierung.“