LeserInnenbriefe
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Eine FRAU

betr.: „Front Zonal“, taz vom 7. 7. 15

Einfach und übersichtlich hätten die Nationalkonservativen gern ihre Welt. Wie widersprüchlich aber auch deren eigene Anschauungen sind, belegt der von Jan Feddersen zitierte Konrad Adam: „Als rechts gilt heute, wer einer geregelten Arbeit nachgeht.“ Aha.Wie verträgt sich das denn mit der ebenfalls in diesen Kreisen verortbaren Haltung, die Frustration über Arbeitslosigkeit, verbunden mit dem klassischen Pseudoargument „Die Fremden nehmen uns die Arbeit weg“ als Apologie für xenophobe Einstellungen heranzuziehen?

Okay, wer zur Rechtfertigung der einbetonierten Wertvorstellungen mangels rational Begründbarem immer noch das Schreck­gespenst des arbeits- und lernunwilligen linken Gammlers ­mobilisieren muss, dem können solche Feinheiten schon mal durchgehen. Aber, klar, darauf haben andere auch schon ver­wiesen: Müssten sich jene, die auf das „traditionelle“ Familienmodell solch starken Wert legen, nicht eher darüber echauffieren, dass an der Spitze der Partei, auf die sie so große Stücke halten, nun ausgerechnet, ach du lieber Himmel!, eine FRAU steht? FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

Unerträglich

betr.: „Europas Krise“, taz vom 8. 7. 15

Ich kann es nicht fassen, wie Politiker, die sich vor Kurzem noch als großartige Europäer feiern ließen, in „den Griechen“ die Schuldigen für eine Krise suchen, die sie selbst mit verschuldet haben, indem sie windige Geschäfte von Siemens, Thyssen-HDW, MAN & Co mit Staatsgarantien abgesichert hatten. Denen es egal war, wenn in Griechenland Tausende aus der Landwirtschaft in Jobs beim Staat oder in die Frühpensionierung geschickt wurden, weil Milchprodukte in Mitteleuropa kostengünstiger herzustellen waren und in Spanien die Helfer bei der Orangen­ernte besser ausgebeutet werden können. So lange in Südeuropa Regierungen dafür sorgen, dass auf die untergejubelten Schulden fette Zinszahlungen erfolgen, war alles in Ordnung. Nur: Nun ist Griechenland am Ende, es ist nix mehr zu holen und die Rentner können nicht mal eben die Zeit zurückdrehen und Überstunden auf einem eigenen Acker ableisten. Plötzlich ist das Land zum Problemfall geworden , das man lieber nicht mehr in der Eurozone hätte.

Besonders infam ist die Demagogie über die anderen Staaten, die es geschafft hätten oder in denen die Renten viel niedriger seien, wie zum Beispiel im Baltikum. Denen sei eine Unterstützung der „reicheren“ Griechen nicht zuzumuten. Hier wälzen Merkel & Co die eigene Verantwortung auf schwächere EU-Regierungen ab, die eigentlich nur durch die Tricksereien um die Europäische Zentralbank mit ins Boot geholt haben . Im Baltikum sind die Lebenshaltungskosten sehr viel günstiger und die Menschen dort leben auch stärker von selbst angebauten Lebensmitteln. In Portugal arbeitet mehr als die Hälfte der Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen.

Deutschland ist mit über zwei Billionen fünfmal höher verschuldet als Griechenland und hat als erstes Land die „Regeln“ gebrochen, von denen man annahm, dass es mit der Stabilität in Europa funktionieren könnte. Es klappt aber nicht, zu groß ist das wirtschaftliche Ungleichgewicht und es verschärft sich weiter.

Hilflos blickt man nach Großbritannien, wo der Verweis der dortigen Politiker auf Mitteleuropa als Schuldige der schwierigen ökonomischen Lage die Menschen gegen „Europa“ aufbringt.

Wann schließen sich bei uns die Menschen zusammen und sagen NEIN zu diesem Europa ?

DIETMAR RAUTER, Kronshagen

Idee Europa

betr.: „Die EZB erpresst die Griechen“, taz vom 9. 7. 15

Nicht Griechenland, sondern die reine Fokussierung der EU auf Wirtschaft- und Finanzpolitik trägt die Hauptschuld an der Krise. Zu viele Mitgliedsstaaten betrachten die EU nur unter dem Aspekt, ob sie von ihr wirtschaftlich und finanziell profitieren können. Aber auch viele osteuropäische Staaten sind oder wollen nicht wegen einem gesellschaftlichen Zusammenwachsen Europas eintreten, sondern weil sie sich Wachstum und finanzielle Vorteile versprechen.

Wie kann man davon ausgehen, dass es Nationen wie der Slowakei, denen die CSFR zu groß gewesen ist, oder Staaten wie Slowenien und Kroatien, die Kriege geführt haben, um unabhängig von Jugoslawien zu sein, wenige Jahre danach in einen viel größeren Staatenbund möchten, weil es ihnen auch darum ginge, Europa und deren Menschen zu einigen?

Auch der viel zu große Einfluss der Wirtschaftslobbyisten schadet der EU. Und dass Regierungen wie die in Ungarn in keiner Weise so kritisiert werden für ihre europa- und demokratiefeindliche Politik wie die griechische für deren Wirtschaftspolitik zeigt, wo die Schwerpunkte der europäischen Wertegemeinschaft liegen.

Ich liebe dieses grenzenlose, offene, liberale, demokratische Europa und wäre sehr traurig und zornig, wenn altes kapitalistisches und nationalistisches Denken sowie der Lobbyismus von Konzernen und Banken mit einem unfähigen EU-Beamtenapparat in Brüssel diese tolle und Frieden garantierende Idee zerstören würden! MARKUS MEISTER, Kassel