Europas Krise

Die Staats- und Regierungschefs reagieren mit gebotener Vorsicht. Dialogbereit geben sie sich alle. Der Ärger ist nur gezügelt

LeserInnenbriefe
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Lügen und Halbwahrheiten

betr.: „Ochi, ein Triumph für Syriza“, taz.de vom 5. 7. 15

Die Griechen haben eher als viele Deutsche, die in Umfragen mehrheitlich die harten EU-Bedingungen befürworten, verstanden, dass die rigorosen Sparvorgaben der Troika in der Vergangenheit nicht funktioniert haben und auch in Zukunft nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Wirtschaftslage führen werden. Nun sind vor allen Dingen Brüssel und Berlin gefordert und sie sollten endlich die humanitäre Katastrophe in Griechenland beenden und nicht weiter in ihrer starren Haltung verharren.

Vor allen Dingen sollten sie aufhören, die deutschen Zuschauer weiterhin zu belügen und Halbwahrheiten zu verkünden, wie man es in vielen Talkshows der letzten Wochen immer wieder hören musste. Es ist völlig falsch, zu behaupten, dass es beispielsweise mit Portugal und Spanien wirtschaftlich bergauf gehe und sie auf einem guten Weg seien, weil sie sich dem EU-Diktat gebeugt haben. Das Gegenteil ist der Fall, denn nicht nur in Spanien und Portugal grassiert eine hohe Arbeitslosigkeit und ein minimales Wirtschaftswachstum, das durch hohe Haushaltsdefizite mit bis zu sechs Prozent wieder zunichte gemacht wird, sondern auch in Italien und Frankreich wird es bald arge Finanzprobleme geben. THOMAS HENSCHKE, Berlin

Unsoziale Sparpolitik

betr.: „Ochi, ein Triumph für Syriza“, taz.de vom 5. 7. 15

Die angeblich wahren Demokraten ,Hüter und Wacher über alle Demokratieverstöße in aller Welt, sie sind entsetzt und empören sich darüber, dass eine legitime Regierung in Griechenland sich erlaubt, das Volk zu befragen, wie es über die weitere Sparpolitik denkt. Was haben eigentlich alle jene immer gemeint, die seit Jahren die Begriffe Demokratie und Freiheit strapazieren und einfordern?

Wie ihre Demokratie aussieht sehen wir. Sie sind nicht gewillt, einem souveränen Volk, einer seit einigen Monaten legitim gewählten Regierung zu erlauben, ihr Veto gegen eine unsoziale Sparpolitik demokratisch abzugeben. Dabei hat sich dieses Volk nicht mehr und nicht weniger erlaubt, sich dieser Art von Sparen zu erwehren. Wie kann empören, wenn Menschen an sozialen Abgründen keinen Sinn und Zweck in dieser Sparpolitik sehen und diese auch dem Land nicht zum Schuldenabbau dient?

ROLAND WINKLER, Aue

Ich beneide die Griechen

betr.: „Ochi, ein Triumph für Syriza“, taz vom 5. 7. 15

Die Griechen haben Nein gesagt, nicht zum Euro oder der EU, sondern die EU-Wirtschaft- und Finanzpolitik abgelehnt und deren neoliberale Ansichten, dass, wenn gespart werden muss, die Opfer am stärksten von der Unter- und Mittelschicht zu erbringen sind! Ich beneide die Griechen um deren Mut, endlich Nein zu sagen! Nein zu Spekulanten und Börsen, systemrelevanten Banken, Verschonung der Reichen, der ungerechten Verteilung, dem Festhalten der EU-Bürokraten an altem kapitalistischen und neoliberalen Glauben vom ständigen Wachstum, niedrigen Steuern und Steuervermeidungsmöglichkeiten für die „oben“ und der immer wiederkehrenden Story von der „über die Verhältnisse lebenden Bevölkerung“ und „dem enger zu schnallenden Gürtel“ für die „unten“.

Einzig mein kleines Sparvermögen und die Gewissheit, dass ein großer Crash uns alle ärmer machen würde, dass eine Prozent „oben“ aber weiterhin fast alles hätte, lässt mich noch zu feige sein, auch endlich Nein zu diesem Kapitalismus zu sagen.

MARKUS MEISTER, Kassel

Mehr als eine Genugtuung

betr.: „Ochi, ein Triumph für Syriza“, taz.de vom 5. 7. 15

Beim Verhalten verschiedener Staatschefs nach dieser Volksabstimmung, an der Spitze Frau Merkel und Herr Schulz, zeigte sich die undemokratische Grundeinstellung dieser Handlanger der Banken- und globalisierten Wirtschaftspolitik.

Wenn man der griechischen Regierung mit Schuldzuweisungen gegenübertritt, sollte man bedenken, dass das Volk abgestimmt hat. Hier bekommt man das Gefühl, dass sich das Vorurteil bestätigt, dass Politiker kaum etwas mehr fürchten als des Volkes Stimme. Es war mehr als eine Genugtuung, dass die reaktionären Wirtschaftspolitiker wenigsten etwas in die Schranken gewiesen wurden, und es ist davon auszugehen, dass diese Abstimmung einen Dominoeffekt bewirkt.

Ansonsten werden wir uns in absehbarer Zeit wirtschafts- und sozialpolitisch einem Verarmungseffekt und einer Verelendung wie im vorletzten Jahrhundert gegenübersehen. Die Folgen dafür sind aus der Geschichte hinlänglich bekannt.

GEORG DOVERMANN, Bonn