ÖKO-MAINSTREAM UND ALTERNATIVES ANTI-ÖKOTUM
: Das ganz große Ding

taz-Chefreporter und Autor von „Öko: Al Gore, der neue Kühl- schrank und ich“ Montag: Claus Leggewie

PETER UNFRIED

Nichts ist alternativlos, auch wenn Politiker das aus nachvollziehbaren Gründen gern behaupten. Es gibt immer eine Alternative, und es ist wichtig, sie klar herauszuarbeiten, um das Bestehende oder das Geplante zu überprüfen, zu inspirieren, zu modifizieren.

Und so gibt es in Zukunft zwar kein Links und Rechts mehr, aber sehr wohl einen alternativen Lebens-, Wirtschafts- und Politikstil: das Anti-Ökotum. Wer alternativ leben will, der darf sein Haus unter keinen Umständen dämmen. Wer seine kulturelle Dissidenz ausdrücken will, der braucht bloß einen VW Touareg zu fahren. Vielleicht muss man auch einfach nur das Licht in allen Zimmern brennen lassen, um als nonkonformistischer Rebell durchzugehen.

Es wird Unternehmen geben, die diese alternativen Lebensformen mit Produkten bedienen (schlechte Autos, unfair gehandelter Kaffee, Deutsche-Bank-Deals). Es wird einen Schwarzmarkt geben, auf dem verbotene Substanzen (Glühbirnen, Kohlestrom, Rindfleisch) gehandelt werden. Es wird Parteien geben, die diese Unternehmen und Menschen repräsentieren (die FPD etwa, die Fleischfresser Partei Deutschlands).

Es wird Kommunen geben (in NRW?), die sich zur „100-Prozent-Kohle-Region“ erklären. Möglicherweise könnte man sogar eine Zeitung neu gründen, die sich dem alternativen Anti-Ökotum und dem Kampf gegen das Diktat der Öko-Mehrheitsgesellschaft verschreibt.

Tja. Das ist nämlich das Langweilige, das Unbequeme, das Verstörende an unserem Leben als Neue Ökos: Man muss für etwas sein und nicht nur dagegen (was manchmal schwer genug ist). Man muss gestalten und nicht nur verhindern (was auch manchmal schwer genug ist, aber längst nicht mehr reicht). Wer das gesellschaftliche Kopenhagen-Protokoll unterschreibt, muss bereit sein, Teil einer demokratischen Massenbewegung zu werden.

Die Bereitschaft, im Notfall ausnahmsweise autoritäre nationale oder gar globale Klimapolitik mitzutragen oder still zu ertragen, reicht nicht. Denn die großen Entscheidungen kann nicht die Politik durchsetzen. Die große Entscheidung muss die Gesellschaft treffen. Erst das macht demokratische Klimapolitik möglich.

Der Status quo ist, dass wir die Politik damit beauftragt haben, das zu bewahren, was wir als Gesellschaft praktizieren und repräsentieren, obwohl seine Zeit längst abgelaufen ist: das asoziale Anti-Ökotum des 20. Jahrhunderts. Damit dieses Anti-Ökotum alternative Kultur werden kann, braucht es einen neuen Öko-Mainstream. Diesen Mainstream zu schaffen ist das ganz große Ding des 21. Jahrhunderts.

Hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber: Ich will Mainstream sein. Und du willst es doch auch.