Was mich nach Kopenhagen drängt

PROTOKOLL Warum ein 22-jähriger Student heute zum ersten Mal in seinem Leben demonstrieren will

Der Autor ist 22 Jahre alt und wohnt in Aachen und studiert an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Physik. Im Studium befasst er sich mit Photovoltaik und anderen solaren Energiesystemen.

VON MARTIN KLEIN

Was ist mit mir los? Obwohl ich recht radikale Vorstellungen vom Leben (und davon, wie es sein sollte) habe, war ich noch nie auf einer Demonstration. In diesem Moment aber empfinde ich es als befreiend, nach Kopenhagen zur UN-Klimakonferenz zu fahren und für meine Überzeugungen einzustehen. Meine Gedanken sind klar wie selten, das öffentliche Nein fällt mir leicht.

Unsere Generation wird und muss eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Und das in zweierlei Hinsicht: Mit unseren Fähigkeiten und unserem Erfindungsreichtum werden wir die technische Entwicklung vorantreiben. Mit bloßem Verzicht werden sich die Probleme nicht lösen lassen.

Es geht aber um noch etwas Grundsätzlicheres. Mit dem 11. September begann die weltpolitische Prägung unserer Generation, unsere „Politisierung“. Krise erscheint uns nicht als Ausnahme-, sondern als Normalzustand: Zwei Wirtschaftskrisen, eine davon im Jahrhundertausmaß, weltweiter Terrorismus und privatisierte Kriege, Welthunger, natürlich die Klimakrise. Die letzte Dekade war in der Tat ein „verlorenes Jahrzehnt“.

Dabei sind uns die Probleme des übermäßigen Ausstoßes von Klimagasen bekannt. Und uns ist grundsätzlich die Fähigkeit gegeben, Lösungen zu finden. Wir wissen ja längst, dass wir uns gegenwärtig in einer Sackgasse befinden (oder wissen zumindest, dass wir Derartiges schon einmal wussten). Auch wenn unsere Ausbildung regelrecht verkindlicht wird, auch wenn wir gerankt, modularisiert und als „Generation Praktikum“ verschrien werden, wird dieses Hintergrundrauschen nicht mehr aus unseren Köpfen verschwinden. Unsere Generation muss daher die Triebkraft für eine (so abgedroschen das klingen mag) soziale Bewegung sein. Wir müssen den Anstoß geben, wenn die Realität tatsächlich nachhaltig (im doppelten Wortsinn) verändert und dieser Wandel gesellschaftlich akzeptiert werden soll.

Die Ausgangslage dafür ist günstig. Wir sind, anders als frühere Generationen, fast völlig ideologiefrei und damit unabhängig im Denken. Wir sind über den ganzen Globus vernetzt. Und: Wir werden unterschätzt, was nur ein Vorteil sein kann. Wie geringschätzig uns gewisse Eigenschaften (unpolitisch, egozentrisch, konservativ) zugesprochen werden! Das kommt von Leuten, die in den Sechzigern bis zu den Achtzigern aufgewachsen sind und im sicheren Bewusstsein, später Arbeit zu finden, in Luftschlössern vor sich hin diskutieren konnten. Später gab man sich, müde und satt, allzu schnell der Illusion hin, „das Ende der Geschichte“ erreicht zu haben. Heute sind sie die Entscheider und haben oftmals eine politische Kehrtwende vollzogen, während die wahren Probleme unberührt blieben.

Vielleicht bedarf es einer Art Initialzündung. Vielleicht wird Kopenhagen so etwas.