Berliner Szene
: Wanderwege nach Berlin

Marx und Murx

Mein Lieblingsfalafel kostet mittlerweile fünf statt zwei Euro

Ich würde lügen, wenn ich sage würde, dass ich schon immer nach Berlin wollte. Manchmal spielt das Leben wunderliche Spiele mit einem, vor allem im Zuge der eigenen Politisierung.

Nur durch Zufall landete ich vor fünf Jahren für ein Wochenende in der Hauptstadt. Und noch viel zufälliger – wir hatten uns verfahren – auch gleich an der Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Urania. Da stand ich dann, mit meinen zarten 17 Jahren, und hörte Vorträge über die Cuban Five und Wege aus dem Kapitalismus. Der Saal war rappelvoll, die Vorträge wurden simultan in verschiedene Sprachen übersetzt.

Dass musste ein ganz wichtiges Treffen sein, dachte ich mir. Die Cuban Five hörten sich nach einer lateinamerikanischen Musiktruppe an und „Wege aus dem Kapitalismus“ klang irgendwie nach einer Wanderweg-Broschüre. Auch wer denn diese Rosa so genau war, zu deren Ehre diese Veranstaltung abgehalten wurde, wusste ich nicht genau. Aber trotz meiner Unwissenheit wollte ich bei diesen Wanderungen unbedingt mitlaufen, und lateinamerikanischen Rhythmen sind sowieso immer schön.

Auch nach den langen Vorträgen ging es aufregend weiter: Verwundert bestaunte ich die etwas verwirrt wirkenden Gegendemonstranten, die sich unter Polizeischutz auf der dem Gebäude gegenüberliegenden Straßenseite tummelten. „Die Theorie heißt Marx, die Praxis Murks“, stand da auf einem Pappschild. Aha. Ich glaube der Typ mit dem Schild bekam nachher noch eins auf die Mütze.

Erst fünf Jahre später rang ich mich dazu durch, in dieses schillernde Berlin zurückzukehren. Mein Lieblingsfalafel kostet mittlerweile 5 statt 2 Euro, die Wege aus dem Kapitalismus sind nicht zahlreicher geworden und die Straße, an der der Falafelladen steht, ist auch kaum wiederzuerkennen. Dafür weiß ich mittlerweile, wer Rosa ist.

Matthias Faessler