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: Öffentlich-rechtliches Radeln

TV-SPORT Das Erste hat die Chance, den Radsport neu zu erzählen. Ob die genutzt wird?

Es ist eines der großen Comebacks des Jahres. Die Tour de France kehrt zurück ins öffentlich-rechtliche Fernsehen. Im Ersten wird ab morgen wieder geradelt. Die Reporter werden sich gewiss abstrampeln, um den Zuschauerinnen und Zuschauern schöne Geschichten über die Historie alter Gemäuer und die typischen Käse-, Wein- Fleischspezialitäten der Regionen zu vermitteln, an denen das Peloton gerade vorbeirauscht. Natürlich wird es auch um die Fahrer gehen, die in diesen knallbunten Trikots mit den Firmenlogos der Sponsoren um Tages- und Gesamtsieg streiten. Der Radsport verlässt die Nische, die er sich bei Eurosport eingerichtet hat, in den Jahren seit 2011, als die ARD beschlossen hat, sich aus der Live-Berichterstattung zurückzuziehen.

Ob sie dem Radsport mehr bieten wird als besten Sendeplatz zur großen Selbstinszenierung, wird man sehen. Wie groß das Interesse der Veranstalter sportlicher Großereignisse ist, dass ihre Events von den übertragenden Fernsehsendern ins beste Licht gerückt werden, ist in dieser Woche besonders deutlich geworden. Das Internationale Olympische Komitee will die Olympischen Spiele in Europa künftig vor allem via Eurosport präsentieren. Echte journalistische Zugänge, kritische gar, sind da gewiss nicht zu erwarten.

Solche werden eher bei den Öffentlich-Rechtlichen vermutet. Bevor die ARD sich mit einer ­moralinsauren Begründung aus dem verdopten Radsport zurückgezogen hatte, versuchte es der Sender eine Weile mit einer additiven Event- und Anti-Doping-Berichterstattung. Nach dem Interview mit einem Reifen im Zielraum („Wie fühlt sich ein Schlauch, der so unter Druck steht, beim Überqueren der Ziellinie?“), wurde direkt an die Doping-Redaktion übergeben. Die hat dann den Spaßverderber gegeben und das Neueste aus den Laboren ­sinistrer Menschenmanipulierer berichtet. Eine Verbindung hatte all das nicht.

Das Konzept, erst den Sport so zu zeigen, wie die Sportverbände ihn selbst sehen, und dann üble Protagonisten an den Pranger zu stellen, ist gescheitert. Eine merkwürdige Botschaft wurde da verkündet: „Freu dich am Sport, und dann schäme dich bitte gleich dafür.“ Kein Wunder, dass das nicht allzu gut angekommen ist.

Diesem Konzept lag die irrige Annahme zugrunde, ein wahrer Sportsfreund könne es nicht ertragen, wenn kritisch über das Feld berichtet wird, für das er brennt. Es gibt wohl keinen Fußballfan, der sich von der Sportart abgewendet hat, nachdem ein paar führende Fifa-Funktionäre festgenommen worden sind. Und doch werden die Nachrichten aus der korrupten Welt des internationalen Fußballverbands niemanden kalt gelassen haben. Genauso ist es möglich, Radrennen mit Vergnügen und Gewinn zu verfolgen, auch wenn man weiß, welche Mittelchen die Fahrer in ihrem Kulturbeutel haben.

Kritischer Sportjournalismus muss also kein Spaßverderber sein. Mal sehen, ob der ARD gelingt, bei der Tour-Berichterstattung in diesem Sinne ein Zeichen zu setzen. Wir sind jedenfalls gespannt und schalten am Samstag ein.

Andreas Rüttenauer