ZWISCHEN DEN RILLEN
: Im House gelandet

FaltyDL „Hardcourage“ (Ninja Tune/Rough Trade) – Musik britischer Prägung

Die linke Hand klopft anerkennend auf die Schulter, gleichzeitig formt die Rechte eine Faust und zielt damit in die Magengrube. FaltyDL, Nom de Guerre des New Yorker Produzenten Drew Lustman, hat Kenntnis von Potenzialen, die euphorisierend und gleichzeitig niederschmetternd wirken können. Schon als Teenager hat er in einer Drogenklinik einen Entzug absolviert. Musik war ein Weg aus der Sucht, den er seither zielstrebig verfolgt. „Hardcourage“ heißt sein neues Werk, das ihm den fälligen Durchbruch bescheren könnte. Bisher assoziierte man seine Musik mit Dubstep und Bassmusik britischer Prägung.

„Hardcourage“ hat nun eine andere Abzweigung genommen und ist im House gelandet. Die zehn Tracks gehen mit diesem Erbe jedoch sehr spielerisch um. Sie zitieren nie direkt, deuten eher an, blenden aus und halten sich auf eigenwillige Art in Details auf. Der Hauch eines Jazzsamples in „Finally Some Shit/The Rain stopped“, ein Fender-Rhodes-Klavierriff etwa, von dem nur der Nachhall zu hören ist. Aus der dezenten Gesangshookline des Tracks „She sleeps“, beigesteuert von Ed Macfarlane, dem Sänger der Band Friendly Fires, kreiert FaltyDL einen diskreten Popsong. Man kann hier nie genau bestimmen, was Tradition ist, was eigenes Zutun. FaltyDL verwischt die Zeitleiste mit „Hardcourage“ und erschafft etwas, was der französische Theoretiker Michel Chion „Akusmetrie“ genannt hat: Soundtrack-Musik, deren Quellen auf der Leinwand nicht zu sehen sind.

Schon die Cover-Illustration stiftet tolle Verwirrung. Sie ziert eine computergenerierte Collage, ein Frauenkopf, aus dessen Mund eine Pusteblume wächst, in ihren dauergewellten Haaren nistet ein vogelartiges Wesen, drumherum kreisartige Symbole in allen Spektralfarben. Hergehört, ich bin der neueste Mutant.

FaltyDL als House-Mutant: Seine Tracks sind raffiniert geschichtet, schneidend, mit Drive. „Dance music that is frustrating to dance to“, wie Lustman selbst sagt. „Hardcourage“ setzt fort, was Künstler wie John Talabot oder Daphni vergangenes Jahr massenkompatibel eingekreist haben: den Dancefloor als Setting für epische Erzählformen etablieren.

Nur der Albumtitel schwelgt dafür etwas zu schicksalsergeben im Hardcore Herzschmerz. Drew Lustman will „Hardcourage“ optimistisch verstanden wissen, „allen Mut zusammennehmen, um weiterzumachen, wenn Dinge im Argen liegen“. Geradlinig sind vor allem die Beats des FaltyDL, ihr Rattern und Schnipsen, das langsame, aber unaufhaltsame Vorwärtsgehen der Bassdrum; backpfeifenartige Handclaps, so entsteht ein Punch, nie bollernd, immer federnd, der aus den aus den Bassboxen noch mal ganz neue Tiefen herausschabt.

Die Anatomie der Wiederholung: FaltyDL favorisiert kleine und kleinste Ausschnitte aus Wiederholungen und montiert sie aneinander: kurz geschnittene Gesangsfetzen, abklingende Synthesizerwaben. „Uncea“ heißt der Track, der wellenförmig repetitiv bis zum Geht-nicht-mehr wiederholt und darüber hinaus.

Auf seiner tumblr-Page hat FaltyDL einen Clip von „Finally Some Shit/The Rain stopped“ gestellt. Es ist die Endloswiederholung einer Geste. Ein Mann, möglicherweise Schauspieler, fasst sich im Vorbeigehen an der Kamera mit einem Finger über den Mund. Beängstigend schön. JULIAN WEBER