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Berliner Schulstunden im Kino

Alltagsszenen Unter dem Titel „Das Alltägliche im Film“ veranstaltet das Kino im Künstlerhaus in Hannover eine Reihe mit Filmen der „Berliner Schule“

Liebesgeschichte im Banker-Milieu: „Unter dir die Stadt“ Foto: Mental Diary

Die RegisseurInnen selber sind gar nicht begeistert darüber, unter dem Namen „Berliner Schule“ einer Gruppe zugeordnet zu werden. JournalistInnen prägten dieses griffige Etikett, als vor gut zehn Jahren auf der Berlinale plötzlich deutsche Filme mit einer ähnlichen Machart den internationalen KritikerInnen auffielen. Tatsächlich hatten die drei Säulenheiligen dieser Schule Christian Petzold, Angela Schanelec und Thomas Arsian etwa zur gleichen Zeit an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin studiert und stilistisch ähnelten sich zumindest ihre frühen Werke.

Darin wird nicht vom Spektakulären, sondern vom Alltäglichen erzählt. In langen Kameraeinstellungen und minimalistischen Dialogen wird ein karger Realismus geformt, in dem die Menschen oft isoliert, verzweifelt und vergebens um ihr privates Glück kämpfen. Christian Petzold hat sich zwar schon lange von diesem reduzierten Stil verabschiedet, aber als Grundstimmung war dieser noch am Sonntag vor einer Woche bei seiner ersten Regiearbeit für die Fernsehserie „Polizeiruf 110“ zu spüren.

Das Kommunalkino Hannover zeigt im Juli unter dem leicht prätentiösen Titel „Das Alltägliche im Film – Mental Diary“ drei eher unbekannte Filme der „Berliner Schule“ „Lucy“ von Henner Winckler aus dem Jahr 2006 (10.–12. 7.) ist eine Berliner Milieu­studie, in der von einer alleinerziehenden Mutter erzählt wird, die sich in einen älteren Mann verliebt und zu ihm zieht. Ekkehard Knörer schrieb dazu in der taz, Winckler „seziert den von verstockter Hilflosigkeit geprägten Alltag einer jungen Kleinfamilie“.

„Orly“ (15. 7., 17.–19. 7.) hat Angela Schanelec 2010 auf dem gleichnamigen Pariser Flughafen mit französischen und deutschen SchauspielerInnen gedreht. Zwei Stunden in einer Abflughalle werden fast in Echtzeit inszeniert. Eine junge Frau verliebt sich in einen Fremden, eine Mutter begleitet ihren Sohn zu einer Beerdigung, zwei Rucksacktouristen verlieren sich aus den Augen und eine Frau traut sich, den Abschiedsbrief ihres Mannes zu lesen. All das passiert ohne dramatische Zuspitzungen, die Figuren sind PassagierInnen, die man beim gemeinsamen Warten beobachtet.

„Unter dir die Stadt“ ( 22. 7., 24.–26.7.) von Christoph Hochhäusler hatte 2010 seine Premiere in Cannes. Erzählt wird aus dem Milieu der Frankfurter Hochfinanz von dem Manager einer Großbank, der sich in die Frau eines seiner Angestellten verliebt und diesen aus dem Weg räumt, indem er ihn auf einen riskanten Posten in Indonesien versetzt. Die Filmemacherin Claire Denis lobte den Film in „Cahiers du Cinema“ als „eine Symphonie der Großstadt, in der die Figuren sich verlieren“. Wilfried Hippen

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