„45 Minuten still sitzen?“

Kongress Eltern, Erzieherinnen und Lehrer reden über den Druck, das perfekte Kind zu produzieren

■ 37, ist Professor für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie an der Neuen Europäischen Uni in Kerkrade.

taz: Herr Mienert, was ist das Anliegen Ihres Kongresses?

Malte Mienert: Wir wollen diejenigen in den Blick nehmen, die im Erziehungsstress stehen. Die Erwachsenen, die als Eltern oder Pädagogen und Pädagoginnen unter Druck stehen, die perfekten Kinder zu produzieren. Es gibt 1.000 Kongresse zur frühkindlichen Bildung, aber nichts dazu, wie man dem im Alltag gerecht werden kann.

Ist es wirklich so schlimm?

Ja, die Anforderungen steigen. Die wenigen Kinder, die wir haben, werden ausgequetscht wie Zitronen. Die Erzieherinnen im Kindergarten sehen sich mit dem Anspruch konfrontiert, Zweijährigen zum guten Abitur zu verhelfen.

Sie übertreiben.

Ich fürchte nicht. Als vor einigen Jahren die Bildungspläne in den Kindergärten umgestellt und die Selbstbildungsprozesse betont wurden, nach denen Kinder selbst entscheiden, was sie machen, kam großer Widerstand vonseiten der Eltern. „Hat er wieder nur gespielt?“ lautet oft die vorwurfsvolle Frage.

Aber im Kindergarten wird ja gar nicht mehr nur gespielt, da müssen die Fünfjährigen in den ABC-Club, um für die Schule fit gemacht zu werden.

Weil die diesen Anspruch an die Kindergärten stellen. Wir hoffen, dass auf dem Kongress Lehrer, Erzieherinnen und Eltern darüber ins Gespräch kommen, ob das der richtige Weg zu guten Bildungschancen ist. Eigentlich müssten die Erzieherinnen fragen: „Ist es wirklich wichtig, dass Kinder 45 Minuten still sitzen können?“. Weil die Erwachsenen aber die Auseinandersetzung darüber scheuen, wird das Problem auf dem Rücken der Kinder ausgetragen.  INTERVIEW: EIB

9–13.30 Uhr, Schauspielhaus (Goetheplatz). Es gibt noch Karten.