Die Schmach von Olomouc

FUSSBALLJUNIOREN U21-Coach Horst Hrubesch umwehte bereits der Mythos des genialen Jugendtrainers, doch beim aktuellen Jahrgang dringt er mit seiner kumpelhaften Art nicht durch

Heillos unterlegen: Die deutschen Schlüsselspieler Matthias Ginter (l.) und Emre Can folgen dem Portugiesen Ricardo Horta – vergeblich Foto: imago

Aus Olomouc Daniel Theweleit

Mit 0:5 war Deutschlands wichtigstes Nachwuchsteam im Halbfinale der Europameisterschaft am Sonntag gegen Portugal untergegangen, DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hatte in Olomouc eine „Lehrstunde“ erlebt, Kapitän Kevin Volland sprach von „Arbeitsverweigerung“, Horst Hrubesch aber sagte sogar noch am Tag danach: „Mein Fazit fällt nach wie vor positiv aus.“ Der Trainer hatte Spaß gehabt mit seinen Jungs, die als Fußballer in der Frühphase ihrer Profikarriere nun mal „Schwankungen unterliegen“. Jetzt freut der legendäre Trainer sich auf die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Rio de Janeirio, für die das Team sich bereits mit dem Halbfinaleinzug qualifiziert hatte.

Derart entspannt konnte diese höchste Niederlage in der Geschichte der deutschen U21 aber längst nicht jeder wegstecken. So formulierte Matthias Ginter nach der Partie einen Satz, der für viel Aufsehen sorgte: „Nicht alle, aber, ich glaube, schon einige müssen sich da schon hinterfragen, ob sie eben alles für dieses Halbfinale gemacht haben in den letzten Tagen“, hatte Ginter unmittelbar nach der Partie gesagt und hinzugefügt: „Deutlicher kann ich jetzt nicht werden.“

Diese Sätze aus dem Mund des Innenverteidigers haben Gewicht. Ginter hat bei der Weltmeisterschaft im vorigen Jahr in Brasilien erlebt, wie es sich anfühlt, wenn sich eine Mannschaft in ein Turnier hineinarbeitet, wenn sich eine Gruppe ganz einem gemeinsamen Ziel hingibt. Diese Kraft ist in Prag nicht entstanden. Die Gruppe hatte, wenn man den Aussagen der Spieler glaubt, die gemeinsamen Wochen zwar genossen, aber die Attitüde echter Champions wurde nicht entwickelt. Möglicherweise hat die kumpelhafte Art, mit der Hrubesch schon so viel Erfolg hatte, diesen Kader irgendwie auf einen falschen Weg geführt.

Darauf weisen auch die Aussagen von Emre Can hin, dem zweiten Spieler neben Ginter, der nicht ins allgemeine „Wir müssen uns alle hinterfragen“-Gerede verfiel. Can hatte gegen Portugal besonders schlimm gespielt, nach dem Abpfiff sagte er: „Wenn man alles gibt, dann kann man in den Spiegel gucken und sagen: ‚Okay, ich habe alles gegeben.‘ Aber ich persönlich habe heute nicht alles gegeben. Ich weiß nicht, aus welchem Grund, vielleicht habe ich vor dem Spiel gedacht, ich bin der Größte.“ Der hoch veranlagte Mittelfeldspieler vom FC Liverpool war über Wochen zum Hauptanführer dieser U21 aufgebaut worden, auch von Hrubesch. Besser wäre es wohl gewesen, den 21-Jährigen zu erden. Aber das ist in der zunehmend aufgeregter reagierenden Fußballmedienwelt gar nicht so einfach. Verschärfend kam ja bei diesem Turnier noch hinzu, dass erstmals das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen Partien der DFB-Elf zur besten Zeit versendete, um 20.15 Uhr. Millionen schauen an den Geräten zu. Die Erwartungen stiegen von Spiel zu Spiel.

„Ich bin 64, habe genug Klatschen bekommen. Aber diese bleibt haften“

Horst Hrubesch

Irgendwann sah im Verlauf der ersten öffentlichen Analyse am Sonntagmorgen dann auch Hrubesch ein, dass mehr schiefgelaufen ist bei diesem Turnier als nur diese 90 Minuten gegen die Portugiesen. Überzeugend hatte die eigentlich hoch veranlagte und schon recht erfahrene Mannschaft lediglich beim 3:0 gegen Dänemark gespielt, die anderen beiden Vorrundenspiele waren allenfalls in kurzen Phasen gut. „Wir hätten viel mehr und viel klarer miteinander reden müssen“, räumte Hrubesch ein und zog einen Vergleich zum U21-EM-Sieg vor sechs Jahren, als die goldene Generation um Sami Khedira, Jerome Boateng, Manuel Neuer und Mesut Özil die Grundlagen für den WM-Titel von Rio schuf. „Hier hatten wir nicht diese klare Hierarchie wie 2009“, sagte Hrubesch.

Es lässt sich kaum bestreiten, dass der Trainer ein paar Entwicklungen im Kader übersehen oder falsch eingeschätzt hat. Dass er die Mannschaft nicht auf die richtige Bahn führen konnte. Und er hat längst erkannt, dass es demnächst Zeit wird, sein Amt an einen jüngeren Kollegen abzugeben, an einen, „der näher dran ist, einen, der noch mehr die Sprache der Spieler spricht“, wie Hrubesch am Sonntag sagte.

Die olympischen Spiele im kommenden Sommer will er aber auf jeden Fall noch mitmachen, mit einer erneuerten Mannschaft, Talente gibt es ja weiterhin im Überfluss. Und vielleicht passt seine kumpelhafte Art dann auch wieder besser als zu diesem am Ende doch sehr enttäuschenden EM-Team.