BERLINER SZENEN
: In die Röhre geschaut

Programmänderung

Am nächsten Tag schaute ich mir in Ruhe den Receiver an

Plötzlich war der MDR weg. Es war, als habe es einen Staatsstreich gegeben, um den früheren DDR-Sender abzuschalten. Ich war in der Küche, während der Freund, den ich zum Essen und Fernsehen eingeladen hatte, im Wohnzimmer alles für den „Polizeiruf“ vorbereitete, den wir nach dem Essen im MDR sehen wollten. Da hörte ich ihn rufen: „Wo sind denn die dritten Pro­gramme?“ Er schwor, nichts an­deres gemacht zu haben, als auf den Fernbedienungen von Fernseher und Receiver herumzudrücken.

Seit einigen Jahren kommt dieser Freund zu Essen-„Polizeiruf“-Abenden zu mir. Aber dieses Mal konnten wir keinen Ostkrimi schauen. Alle dritten Programme waren verschwunden, und damit auch der MDR. Wir probierten eine ganze Weile herum und je mehr Wein wir tranken, umso weniger verstanden wir, was passiert war. Irgendwann machten wir die Kiste aus und tranken uns den Abend schön. Am nächsten Tag schaute ich mir in Ruhe den Receiver an, kontrollierte, ob alle Kabel an der richtigen Stelle waren, legte neue Batterien in die Fernbedienung – nichts.

Schließlich wählte ich die Nummer des Kabelanbieters. Als ich ihm sagte, dass das Gerät von 2008 ist, seufzte er. Nach sooooo langer Zeit könne ein Gerät schon mal kaputtgehen. Ich sah das zwar anders, aber in wenigen Tagen bekomme ich einen neuen Receiver. Bis dahin muss ich mich mit den verbleibenden Programmen begnügen. Auf einem der Kanäle kommentierte ein Typ irgendetwas mit den Worten „Da muss man nicht gleich den Schwarzen Peter an die Wand malen.“ Es dauerte einige Sekunden, bis ich drauf kam. Den Schwarzen Peter kann man jemanden zuschieben, aber an die Wand malt man den Teufel. Peter heißt der Freund, mit dem ich in die Röhre geschaut habe. Ich bin am überlegen, ob ich ihm den Schwarzen Peter zuschieben kann. Barbara Bollwahn