Kinder-Betteln soll aufhören

Verbot I Senat will Missbrauch zum Betteln stoppen und strebt Bußgeld von 500 Euro an. Opposition ist skeptisch, bezweifelt die Durchsetzbarkeit und fordert Alternativen

Sollen künftig bestraft werden: bettelnde Kinder Foto: D. Balducci/sintesi/visum

von Stefan Alberti

Der rot-schwarze Senat will verbieten, dass Kinder allein oder mit Erwachsenen zusammen betteln, und droht mit einem Bußgeld von 500 Euro. Dass soll die Kinder besser vor einem Missbrauch schützen. Bei einer ersten Abstimmungsrunde stimmte die Landesregierung am Dienstag einem Entwurf von Innensenator Frank Henkel (CDU) zu. Endgültig will der Senat die Verordnung nach der Sommerpause beschließen, nachdem sich auch die Bezirksbürgermeister dazu geäußert haben.

Mitleidseffekt

Staatssekretär Bernd Krömer (CDU) hob nach der Senatssitzung besonders Frauen hervor, die mit Kleinkindern vor Supermärkten säßen und bettelten. „Im Senat besteht Einigkeit, dass wir das unbedingt unterbinden“, sagte er. Nach Krömers Darstellung würden die Frauen teilweise gezielt mit den Kindern zum Betteln geschickt. „Die Kinder sind dafür da, den Mitleidseffekt zu vergrößern.“ Das sei eine „besonders perfide Form der Kriminalität“. Die Bildungs- und Jugendverwaltung von Senatorin Sandra Scheeres (SPD) „teilt unser Ansinnen“, sagte Krömer.

Die Kontrolle soll bei den Mitarbeitern des Ordnungsamts liegen. Sie sollen mit der neuen Rechtsverordnung eine klarere Handhabe als bisher haben. „Der in der Ausnutzung von Kindern zum Betteln liegende Missbrauch konnte nicht zielgerichtet bekämpft werden“, heißt es vom Senat. Zusätzliches Personal hat Staatssekretär Krömer nicht im Sinn: „Das ist eine Aufgabe, die mit erledigt wird.“

Wer das Bußgeld von 500 Euro nicht zahlen kann, soll nötigenfalls eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe absitzen. Das ist derzeit schon häufig bei Wiederholungs-Schwarzfahrern in Bus und Bahn der Fall. Unter 14-Jährige müssen nicht zahlen, allein bettelnde Kinder sollen Ordnungsamt und Polizei weiterhin dem Notdienst Kinderschutz oder den Jugendämtern übergeben können. Man mache das „nicht in erster Linie wegen des Belästigungseffekts durch Bettler, sondern wegen des Kinderwohls“, sagte Krömer.

Beobachtungen

„Diese Strafe trägt nicht dazu bei, das Problem zu lösen“

Hakan Tas, Linksfraktion

Um wie viele bettelnde Kinder es geht, konnte der CDU-Mann nicht sagen. Er verwies auf Beobachtungen von Polizei, Abgeordneten, Bürgern. „Um diesen Missstand abzustellen, brauche ich keine Volkszählung“, sagte er.

Für zuständige Fachpolitiker der Opposition im Abgeordnetenhaus sind Verbot und Bußgeld der falsche Weg. Natürlich sei es zu begrüßen, wenn sich der Senat um das Kindeswohl sorge und Kinder vom Betteln wegbringen wolle, sagte der Linkspartei-Innenpolitiker Hakan Tas. „Aber man muss auch andere Lebenschancen schaffen, damit die Kinder erst gar nicht betteln müssen.“ Organisierte Kriminalität könne es in dem einen oder anderen Fall geben, aber grundsätzlich sieht Tas Kinder am Werk, die mit Betteln ihre Familie versorgen. „Die Strafe, die der Innensenator verordnen will, trägt nicht dazu bei, das Problem zu lösen.“ Die grüne Familienpolitikerin Marianne Burkert-Eulitz sah das ähnlich: „Sicherlich ist es falsch, wenn Eltern ihre Kindern zum Betteln schicken.“ Man könne Kinder- und Jugendprobleme aber nicht mit innenpolitischen Mitteln lösen. Es gebe bereits Strukturen, über die sich die Eltern ansprechen ließen. „Die muss man stärken, und das müssen SPD und CDU bei den Haushaltsverhandlungen mal in den Blick nehmen.“

Christopher Lauer, Innenpolitiker der Piratenfraktion, hält das Verbot nicht für durchsetzbar. Aus seiner Sicht können weder Polizei noch Ordnungsamt etwas ändern, wenn sie das Betteln an einer Stelle beenden – dann gehe es eben anderswo weiter. „Der Senat müsste sich eher darum kümmern, denen, die da betteln, eine Perspektive zu geben.“