Palmöl, Ségolène Royal und Aufmerksamkeitsökonomie
: Gib dem Affen Nutella

Foto: Axel Völcker

Tier und Wir

von HeikoWerning

„Ha!“, rufe ich am Frühstückstisch triumphierend aus und zitiere: „Man muss aufhören, Nutella zu essen!“ Den Kindern fällt vor Schreck fast die Nutella-Stulle aus der Hand, ich aber setze nach: „Hier steht’s, in der Zeitung! Das hat die französische Umweltministerin gesagt! Wegen den Orang-Utans!“

Die Argumentationskette ist einfach: In Nutella ist Palmöl, und für Palmölplantagen werden in Asien und Afrika massenhaft Regenwälder vernichtet. In wenigen Jahrzehnten ist Palmöl damit zu einem der größten Naturschutzprobleme weltweit geworden. Das betrifft natürlich nicht nur die Orang-Utans, sondern eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren. Aber die Menschenaffen sind ganz besonders betroffen, da speziell auf Borneo, einem ihrer letzten Rückzugsgebiete, die Palmölindustrie boomt, sodass ihnen wortwörtlich die Bäume unter den Hintern abgeholzt werden.

Es ist durchaus ein Verdienst von Ségolène Royal, mit dem plakativen Boykottaufruf dieses Problem mal wieder einer breiteren Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu rufen. Die macht sich nämlich in letzter Zeit erstaunlich viele Gedanken darüber, ob Menschenaffen nicht Menschenrechte zustünden und man sie deswegen nicht in Zoos halten dürfe, aber andererseits erstaunlich wenige, wo die Tiere denn dann ihre Menschenrechte eigentlich ausleben sollen, wenn ihnen vor lauter Biosprit- und Industrienahrungsgewinnung kein Lebensraum mehr bleibt.

Denn die Fixierung von Royal auf Nutella erscheint ein wenig willkürlich. Palmöl ist in etwa jedem zweiten Supermarktprodukt enthalten, von Waschmitteln und Hautcreme über Kekse und Schokolade bis hin zu veganen Lifestyleprodukten. Die Kuh aus dem Stall auf den Gnadenhof schicken und dafür den Affen vom Baum brennen – es ist halt alles nicht so einfach. Dabei ist Palmöl an sich eine feine Sache. Wenn die Palmen eben auf Flächen angebaut werden, die nicht dafür vorher entwaldet oder entmoort worden sind. Und wenn die lokale Bevölkerung dann auch etwas von ihrem neuen Exportschlager hat. Mehr jedenfalls als Sklavenarbeit und Vertreibung. Es ist also letztlich wie fast überall: Nicht der Stoff selbst ist das Problem, sondern die Wirtschaftsform, in der er erzeugt und gehandelt wird.

Jedenfalls macht Nutella sicher nur einen Bruchteil des eigentlichen Problems aus. Aber Ma­dame Royal weiß um die Aufmerksamkeitsökonomie und trifft die Menschen da, wo’s wehtut.

Die Kinder allerdings wissen auch was. Weil sie neulich im Zoo Münster waren. Sie haben nämlich nichts gegen offenkundig ganz gut gelaunte Affen in hübschen Anlagen, sehr wohl aber gegen Bilder von deren verkohlten ­Artgenossen, die es in einer großen Ausstellung zur Lage der Orang-Utans in freier Natur zu sehen gab. Dort haben sie außerdem auch gelernt, wo überall dieses Palmöl drin ist, das dafür mitverantwortlich ist. Und schlussfolgern daher messerscharf: „Dann soll Mama lieber aufhören, Margarine zu kaufen. Butter schmeckt eh viel besser.“ Und da haben sie ja auch verdammt noch mal recht.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Montag

Barbara Dribbusch

Später

Dienstag

Sonja Vogel

German Angst

Mittwoch

Martin Reichert

Erwachsen

Donnerstag

René Hamann

Unter Schmerzen

Freitag

Meike Laaff

Nullen und Einsen