Böhrnsen jetzt Scherf

„Eine Epoche geht zu Ende“: Jens Böhrnsen (SPD) ist neuer Bürgermeister Bremens. Mit fünf Gegenstimmen aus SPD und CDU. Scherf in Israel

Bremen taz ■ Nein, alle haben sie nicht für ihn gestimmt – auch nicht in der großen Koalition. Fünf Abgeordnete aus den eigenen Reihen verweigerten dem bisherigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Jens Böhrnsen gestern ihre Gefolgschaft. Die verbleibenden 62 VertreterInnen von SPD und CDU wählten ihn in den Senat – und der ihn zum neuen Regierungschef Bremens.

Der 56-Jährige, der wie sein Vorgänger Henning Scherf (SPD) gleichzeitig Senator für Justiz, Verfassung und kirchliche Angelegenheiten wird, gab sich dennoch zufrieden: „Das Ergebnis ist schön für mich.“ Er wolle mit „Entschlossenheit, Freude und Tatkraft“ anfangen. Sein neues Büro kann Böhrnsen sofort beziehen. Scherf hat seinen Schreibtisch im Rathaus schon vor Tagen geräumt, auch gestern war er nicht zu sehen. Er weilt in Israel, im Urlaub. Seinen offiziellen Rücktritt von Amt und Mandat ließ er per Brief verkünden.

Die Parteien nutzen die Wahl, um einmal mehr Bilanz zu ziehen. „Eine Epoche geht zu Ende“, verkündete der künftige SPD-Fraktionschef Carsten Sieling in pathetischen Worten. Scherf werde „als großer Bürgermeister in die Geschichte Bremens eingehen“. Und er fügte hinzu: „Jetzt muss es einen richtigen Neuanfang geben.“ Dabei hofft Sieling auch auf ein „neues Verhältnis“ zwischen Parlament und Senat.

Einen Neuanfang forderte zuvor auch die grüne Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert ein. „Die Investitionen waren der Suchtstoff, der nie ausgehen durfte.“ Dabei sei es am Ende schlimmer gekommen, als selbst die Grünen befürchtet hätten. „In zentralen Feldern der Politik ist Henning Scherf mit seiner Politik gescheitert.“

Zu dieser Diagnose kam auch der FDP-Abgeordnete Willy Wedler – und sah mit dem Ende von Scherfs Amtszeit zugleich das Ende der großen Koalition gekommen. Deren Bestand über das Jahr 2007 hinaus sei „kaum noch zu denken“, befand Wedler. Mit Scherf verliere die große Koalition die Klammer, die sie zusammengehalten habe.

Linnert hingegen mochte sich über einen möglichen Regierungswechsel noch keine Gedanken machen und erteilte allen Spekulationen eine Absage. „Wir sind nicht der geborene Koalitionspartner – weder für die eine, noch für die andere Seite.“

Derweil gab sich CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau sehr zufrieden mit dem neuen Präsidenten des Senats. „Wir können mit Jens Böhrnsen gut leben.“ Begründung: Scherf habe immer „tief in das CDU-Wählerpotential hinein argumentiert“. Böhrnsen hingegen gilt als Genosse mit Stallgeruch. Schon seine Eltern waren Sozialdemokraten und Gewerkschafter. Sein Vater, ein Bremer Werftarbeiter, wurde dafür von den Nationalsozialisten ins Gefängnis geworfen. Schon sieht sich Perschau genötigt, vor zu viel sozialdemokratischer Politik zu warnen: Als Präsident des Senats dürfe Böhrnsen nun nicht mehr vorrangig die „Handschrift der SPD“ im Blick haben. Jan Zier