Seuchentod in der Abschiebehaft

In Südafrikas zentralem Abschiebelager für illegale Migranten sind dieses Jahr dutzende gestorben – meist auf der Krankenstation. Südafrika schiebt jährlich zehntausende Flüchtlinge ab, auch nach Simbabwe. Kritik von Exilorganisationen

Es gibt nur zwei Ärzte bei einer Lagerbevölkerung von 6.000 Menschen

AUS JOHANNESBURGMARTINA SCHWIKOWSKI

Etwa 6.000 Menschen warten im südafrikanischen Flüchtlingslager Lindela auf ihre Abschiebung. Die meisten stammen aus Simbabwe und Mosambik. Aber nach einem Untersuchungsbericht sterben zahlreiche Flüchtlinge im Lager an mangelnder medizinischer Versorgung, noch bevor sie abgeschoben werden. Insgesamt, so der von Südafrikas Innenministerium angeforderte Bericht, starben in Lindela zwischen Januar und August 53 Menschen, 43 davon nach der Einweisung ins nahe gelegene Leratong-Krankenhaus.

Der Bericht beschreibt die Todesumstände von 28 Flüchtlingen und schlussfolgert, ihr Tod hätte bei entsprechender medizinischer Behandlung verhindert werden können. Innenministerin Nosiviwe Mapisa-Nqakula bezeichnete die Untersuchungsergebnisse als Anklage gegenüber der Arbeit ihres Ministeriums und will angeblich alles tun, um die Verhältnisse zu verbessern.

Über fünf Millionen illegale Einwanderer leben in Südafrika, rund die Hälfte davon allein aus Simbabwe. Das Flüchtlingslager Lindela ist der zentrale Sammelpunkt vor der Abschiebung von illegalen Simbabwern und Mosambikanern in ihre Heimat – jede Woche fährt in jedes dieser Länder ein Abschiebezug mit mehreren hundert Insassen. Täglich kommen 200 bis 250 festgenommene Illegale nach Lindela, von wo aus im Jahr 2004 67.000 Menschen deportiert wurden und dieses Jahr bereits 57.900.

Ein näherer Einblick in die Räumlichkeiten von Lindela wird selten genehmigt. Auf Anfrage der taz bei einem Besuch dort Anfang des Jahres erklärte die Leitung des Lagers, es gebe keine Todesfälle und die Bedingungen entsprächen den Empfehlungen der Menschenrechtskommission. Aber Flüchtlinge beschrieben Todesfälle von Mitinhaftierten. Die amtliche Untersuchung ergab nun, dass es wegen überfüllter Schlafräume zum Ausbruch von Meningitis kommt, die sich rasch ausbreitet. Oft schlafen 50 statt 30 Personen in einem Raum.

Mediziner im nahen Leratong-Krankenhaus hatten sich in Gesprächen mit den Lagerärzten – es gibt nur zwei, bei einer Durchschnittsbelegung von 6.000 Menschen – besorgt geäußert. Patienten werden demnach zu spät ins Krankenhaus überwiesen. 70 Prozent starben dort am ersten Tag nach ihrer Ankunft. Viele wurden in Armengräbern beerdigt. Oftmals werden Flüchtlinge deportiert, obwohl sie für die Reise zu krank sind.

Etwa 100 Patienten werden in der Klinik pro Tag behandelt. „Es mangelt an Training und zusätzlichen medizinischen Kräften“, sagt Krankenschwester Margret Gabaochwe. Medikamente seien vorhanden, aber die Voraussetzungen für akute Hilfe fehlten. Sprachprobleme führen dazu, dass die Krankengeschichte der Patienten lückenhaft aufgenommen wird. Einer der Ärzte ist nur vormittags da und hat keine Ausbildung in Tropenmedizin, Nothilfe oder Psychiatrie.

Schon seit 2000 kritisiert die südafrikanische Menschenrechtskommission „unmenschliche Bedingungen“ in Lindela. Dazu zählten schlechte Ernährung und unrechtmäßig verlängerter Aufenthalt der Flüchtlinge. Die Flüchtlingsorganisation Zimbabwe Exiles Forum (ZEF) in Johannesburg hat dem südafrikanischen Parlament einen eigenen Bericht über die Zustände in Lindela vorgelegt. Sie ist besorgt, dass Simbabwer, die der Gewalt in ihrem Land entfliehen, nun auch in Südafrika leiden. „Oft haben sie Papiere, die sie als Asylsuchende ausweisen. Aber wenn sie keine korrupten Polizisten bezahlen können, landen sie in Lindela und werden als Illegale deportiert“, sagt ZEF-Vorsitzender Gabriel Shumba. „Wenn sie in Simbabwe ankommen, werden sie misshandelt und manche verschwinden.“