Agrarhilfen vor allem für die Platzhirsche

Eine Studie von Oxfam zeigt: EU-Geld kassieren vornehmlich die Großbetriebe. Die wollen das lieber verschweigen

BRÜSSEL/BERLIN taz ■ Die Liste liest sich wie ein Who’s who der europäischen Agrarindustrie: der Zuckergigant Tate & Lyle, der US Tabakkonzern Philipp Morris, der niederländische Firmenzweig von Mars, Heineken, die Konzerne Nestlé und Campina, BASF – und sogar die britische Königsfamilie: Sie alle erhalten nach Erkenntnissen der Entwicklungsorganisation Oxfam hohe Zuschüsse aus der europäischen Subventionskasse für die Landwirtschaft.

Eine neue Studie des französischen Ablegers von Oxfam zeigt, dass vor allem die Großen der Branche von der europäischen Agrarpolitik profitieren. Die präsentierten Zahlen belegen am Beispiel Frankreichs, wie Großbetriebe den Löwenanteil der Agrarhilfen abschöpfen: 15 Prozent der französischen Betriebe teilen sich 60 Prozent der Subventionen. 9,4 Milliarden Euro des jährlichen EU-Agrartopfs mit 44 Milliarden Euro gehen nach Frankreich.

„Die gemeinsame Agrarpolitik ist ein Schlaraffenland für Europas größte und reichste Landwirte“, sagt Céline Charveriat von Oxfam Frankreich. Sie vertritt die Linie, für die sich auch die Grünen im Europaparlament seit Jahren stark machen: Die EU soll die gemeinsame Agrarpolitik nicht abschaffen, sondern ihre politische Richtung ändern. Die Subventionen sollen nicht zum Nutzen einiger Großbetriebe, sondern der Menschen eingesetzt werden – für Arbeitsplätze, Landschaftspflege und Umweltschutz.

Für die Agrarwirtschaft in Deutschland gibt es keine vergleichbaren Daten. Welche Betriebe wie viele Agrarsubventionen kassieren, darüber wird geschwiegen. Selbst das Bundeslandwirtschaftsministerium hat angeblich keinen Überblick, wohin die Steuergelder fließen. Namen dürfen auch nur mit dem Einverständnis der Betriebe veröffentlicht werden. Immerhin gibt es für Deutschland aufschlussreiches Zahlenmaterial der EU aus dem Jahr 1999.

Es belegt, dass auch hierzulande vor allem Großbauern von den EU-Hilfen profitieren; die oberen zwei Prozent der deutschen Landwirtschaftsbetriebe kassierten 38,9 Prozent der EU-Direktzahlungen. Beträge ab 50.000 Euro aufwärts wurden an die Großbauern überwiesen. Die Mehrheit der deutschen Landwirte musste sich mit weniger zufrieden geben: 78 Prozent der Bauern teilten sich 25 Prozent der Hilfen. Keiner von ihnen bekam mehr als 10.000 Euro.

Oxfam hat seine Zahlen vor allem mit Blick auf die Konferenz der Welthandelsorganisation Mitte Dezember in Hongkong veröffentlicht. Dort geht es vor allem um die Senkung von Agrarzöllen und Subventionen für die Landwirtschaft. Die Entwicklungsländer fordern von den Industriestaaten, ihre Agrarzölle zu senken, weil sie damit ihren Binnenmarkt vor billigeren Produkten aus Drittländern abschotten würden. Von der Höhe der Zölle hängt ab, wie viel Spielraum noch für Agrarsubventionen bleibt. Die französische Regierung sperrt sich seit Jahren beharrlich gegen eine Kürzung dieser Subventionen.

Aber selbst geringere Zollsätze würden nach Angaben von Oxfam den europäischen Markt für Agrarprodukte noch immer so weit abschotten, dass weitere 11 Milliarden Euro Produktsubventionen pro Jahr verteilt werden könnten, bevor ein Sog für Agrarerzeugnisse aus Drittländern entsteht. Selbst wenn es in Hongkong zu einer Einigung kommt, bleibt also für die Großbauern und Agrarfabriken in Europa das Schlaraffenland erhalten. DANIELA WEINGÄRTNER
TARIK AHMIA