Explosiver Auftakt im Zündel-Prozess

Ein Eklat folgt dem anderen im Volksverhetzungsprozess gegen den Rechtsextremisten Ernst Zündel. Der Pflichtverteidigung, die den Ex-NPD-Anwalt Horst Mahler zitiert, wird das Mandat entzogen. Als Revanche erklärt diese den Richter für befangen

AUS MANNHEIM KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Vor der 6. Strafkammer am Landgericht Mannheim begann gestern das Verfahren gegen den Rechtsextremisten Ernst Zündel (66), dem die Staatsanwaltschaft Volksverhetzung und Verunglimpfung des Andenkens verstorbener Menschen durch Leugnung des Holocaust in Wort und Schrift vorwirft.

Zunächst noch ganz Herr des Verfahrens ist der Vorsitzende Richter Ulrich Meinerzhagen. Auf der Anklagebank sitzen der in Handschellen vorgeführte Zündel und seine Verteidiger. Darunter überraschend der wegen zahlreicher Straftaten mehrfach verurteilte und inzwischen auch mit einem Berufsverbot belegte Ex-NPD-Anwalt Horst Mahler. Und Jürgen Rieger aus Norddeutschland. Die Stars der braunen Advokatenszene also. Im Saal hatten sich rund 100 Alt- und Neonazis versammelt. Die einen aus der Verbands- und Funktionärskaste in feinem Zwirn. Die Phalanx der alten Frontkämpfer in Lodenröcken. Und die Glatzköpfe in Nahkampfmontur oder schwarzer Lederkluft. „Geisterbahn Großdeutschland“ – so einer der wenigen Demokraten im Saal.

Da war Mahler, den Pflichtverteidigerin Sybille Stolz als Assistenten eingeführt hatte, aber schon vom Verteidigertisch entfernt worden. Richter Meinerzhagen hatte erklärt: „Die als Assistenz bezeichnete Hilfstätigkeit stellt sich als strafbare Berufsausübung dar.“ Schon im Vorfeld des Verfahrens sei Mahler tätig gewesen. Ein vom Gericht abgelehnter Antrag, das Verfahren gegen Zündel einzustellen, basiere auf den Gedanken Mahlers.

Mahler zog sich allerdings erst nach der mehrfachen Aufforderung des Kammervorsitzenden in den Sitzbereich für die Zuschauer zurück – und kam so dem eher zögerlichen Zugriff der Gerichtsdiener zuvor.

Und langsam kam das ganze Verfahren ins Kippen. Nach der wohl spät erfolgten Prüfung eines Schriftsatzes der vom Gericht selbst bestellten Verteidigerin Stolz kam die Kammer weiter zu dem Schluss, dass die Rechtsanwältin von ihrem Mandat entbunden werden müsse. Stolz habe in diesem Schriftsatz ganze Passagen aus früheren Publikationen von Mahler übernommen und damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie sich die Argumentation der „Revisionisten“ zu Eigen gemacht habe und gleichfalls den historisch eindeutig belegten Völkermord an den Juden leugne. „Sie stacheln selbst zum Hass gegen Juden auf“, konstatierte der Vorsitzende Richter nach der Verlesung entsprechender Textstellen aus dem Schriftsatz. Und weil Meinerzhagen gerade dabei war, entband er auch noch Rieger von seinem Mandat als Pflichtverteidiger. Rieger sei mehrfach einschlägig vorbestraft, und deshalb bestünden „erhebliche Zweifel“ an seiner Eignung als Verteidiger von Zündel.

Für die rechtsextremistischen Pflichtverteidiger war das Verfahren jetzt endgültig zu einem „politischen Schauprozess“ geworden. Noch nicht einmal in einem sowjetischen Gulag, so Rieger, seien Verteidiger so bedroht worden wie hier in Mannheim. Ihre Mandate waren sie dennoch los.

Doch das Duo Infernale kehrte – ohne auch nur aufstehen zu müssen – umgehend zurück: jetzt in der Rolle von Wahlverteidigern. Demonstrativ hatte Zündel allen seinen Anwälten sein „großes Vertrauen“ ausgesprochen und sie zu seinen Wahlverteidigern ernannt. Nur Mahler musste weiter draußen bleiben. Einer in der Reihe hinter der Pressebank wünschte sich ein MG. „Und dann rattatat! Und weg mit dem jüdischen Besatzergericht.“ Die Kammer hatte derweil einen Befangenheitsantrag von Rieger gegen den Richter zu beraten. Er habe die Verteidigung diffamiert und ein faires Verfahren sei nicht gewährleistet, argumentierte der Anwalt. Und der Kammervorsitzende bestand auf der Benennung eines neuen Pflichtverteidigers. Das Verfahren wurde schließlich auf nächsten Dienstag vertagt.