EINIGE FUHREN HOCHKULTUR
: Der gute Grillparzer

Das Fluchen wird halbstündlich amüsanter

Am Abend zuvor wird der Umzug per SMS auf zwölf Uhr mittags verschoben. Keine Waschmaschine, kein Kühlschrank heißt es, und so bleibt es auch. Ein Zusammenzug, die Sachen der Freundin sind bereits in der zukünftigen Behausung. In der, die geräumt werden soll, stehen wir nun vor den Bücherkisten.

Herrjeh, ja klar, ein Verleger zieht um, nun gut, so soll es sein. Wir legen los, bilden eine preußisch anmutende Treppenhauskette. Die Erdanziehung hilft uns beim Abstieg. Fünfhundert Meter weiter bilden wir eine ähnliche Kette in die gleiche Stockwerkhöhe. Das Fluchen wird halbstündlich amüsanter, bis auch der letzte Muskel an Übersäuerung aufzugeben droht und dann Worte wie Scheiße, Kacke und Ficken durch das Treppenhaus hallen. Plötzlich wird von unten gerufen: Der Reis kommt. Und dann ist plötzlich eine Kiste da, auf der „Bücher, Alkohol, Reis“ steht, und sie ist scheißefickenschwer. T., der eine halbe Treppe tiefer steht, schaut immer wieder in die Kisten, und wenn er bei mir angekommen ist, sagt er Sachen wie: Grillparzer, der gute Grillparzer!, während ihm der Schweiß von der Stirn tropft. Als dann drei verschweißte Brecht-Gesamtausgaben nach oben gereicht werden, achtet auch er keine Hochkultur mehr und sagt: Nimm den Scheiß!

Drei Fuhren sind es, und so treffen wir uns erschöpft in der schönen Wohnung der beiden. Ein Lyriker hat sich der Verpflegung gewidmet und eine Kartoffelsuppe gekocht. Es riecht wunderbar. Wir setzen uns. Lecker, sagen wir, was ist da drin? Der Lyriker fordert uns auf, die wir nun erschöpft die Suppe löffeln und in Würste beißen, die von ihm beigefügten Kräuter zu erkennen. Salz, Pfeffer. Klar, er nickt. Was noch? Liebstöckel, Thymian, ja, ja. Der Lyriker nickt. Es ist jetzt egal, es schmeckt super. Die beiden, die eingezogen sind, sagen, wir sollen nun endlich Bier trinken. BJÖRN KUHLIGK